29/6/19 Rücktritt Adrians: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 30. April 2010, 12:53 Uhr
Es war einst ein Richter, der keinen Herren hatte und keinen Knecht und der ganz alleine war, bis auf jene, für die er Recht zu sprechen hatte. Er nannte eine Waage sein Eigen und diese Waage war von solcherlei Beschaffenheit: Eine der Waagschalen war von lauterem Golde und eine der Waagschalen war von sternenfarbenem Silber und die eine Waagschale wog nicht schwerer als die andere. Beide hingen sie an langen Ketten denen man Namen gegeben. Jene, welche die goldene Schale hielt, hieß Wahrheit und jene, welche die silberne Schale hielt, wurde Wissen genannt. Die Ketten wiederum hingen an einem ehernen Gestell von der Farbe des Morgens und des Abends. Es waren aber die beiden Ketten von solcher Länge, dass der Richter seine Waage nur nutzen konnte, indem er das eherne Gestell mit seinen beiden Armen hoch über seinen Kopf hielt. Ferner besaß der Richter das stumpfe Richtschwert seines Standes, welches nur richten kann, wenn beide Hände es führen. Also sprach der Richter jenen, für die er Recht zu sprechen hatte, ihre Gerechtigkeit zu, wo dies mit Worten alleine möglich und dies tat er inbrünstig und voller Weisheit, denn seine Waage hatte die Macht, Worte wie Taten gleichermaßen abzuwiegen. Dann aber geschah so großes Unrecht, dass der Richterspruch alleine nicht mehr half und Gerechtigkeit nur durch das Schwert geschaffen werden konnte. Wie aber sollte der Richter mit dem Schwerte richten? Ergriffe er es, müsste er die Waage fahren lassen und könnte unmöglich Worte oder Taten bemessen und strafte ungerecht. Ergriffe er es aber nicht, so ließe er die Räuber und Mörder unbestraft und wäre ungerecht, wenn er Lügner und Tagediebe strafte.
Mit diesem Fest der Freundschaft bin ich, Adrian, Sieben Jahre lang der Innerste Abgesandte des Heiligen Konzils der Siebenfaltigkeit gewesen. Meiner Aufgabe als höchstem Vertreter Riasons unter den Sterblichen entsprechend, sah ich es als meine heilige Pflicht an, zwischen den Sieben Kirchen zur richten und zu schlichten, so wie der gerechte Gott der Dämmerung zwischen den Sieben Großen und Herrlichen Göttern richtet und schlichtet. Das Heilige Konzil der Siebenfaltigkeit ist das Mittel, die priesterlichen Kräfte zueinander im gerechten und harmonischen Verhältnisse anzuordnen, so dass das Ewige und Unermessliche Riacommon in seiner Ganzheit verehrt werde und es den Gläubigen Wohl darin ergehe. Den Prinzipien des Heiligen Konzils der Siebenfaltigkeit zur allgemeinen Gültigkeit in der Priesterschaft des Riacommon zu verhelfen, ist eine Aufgabe, zu deren Erfüllung es der Geduld von Felsen und der Kraft von Riesen bedarf. Eine Aufgabe, an der ich unumstößlich gescheitert bin. Schon unter der Herrschaft Karomans II. gestaltete sich der Kampf um einen souveränen Klerus als sehr schwierig, da der Hochfürst nie davon abrückte, die Cirkaterschaft als sein Eigen zu betrachten. Unter der heutigen Regierung sind die Priester der Götter des Himmels Riasina und Riasion gleich zwei Ringern ineinander und in die Staatsgeschäfte verkeilt, nicht mehr mächtig, sich zu drehen, zu wenden oder umzukehren.
Aber deswegen gebe ich nicht auf.
Nun habe ich durch meinen wohlgemeinten Appell die Erzkanzlei um Zurückhaltung in der Vergabe von Adelstiteln gebeten, da die neue Ordnung im Land der Stämme langsam wachsen muss, um nicht in Hast und Unachtsamkeit rissige Glieder in die Kette der Herrschaft einzuflechten. Die Erzkanzlei hat meine bescheidene Bitte mit einem Schritt von historischer Gedankenlosigkeit beantwortet: Mit der Erschaffung einer fünften Grafschaft, einer Grafschaft, die ganz und gar ohne althergebrachte Rechte Bestand haben muss, einer Grafschaft, die sich schämen muss, unter die Augen ihrer Schwestern im Reiche zu treten. Die Erzkanzlei hätte den tapferen Oostportern diese Schmach ersparen sollen, anstatt Entscheidungen zu treffen, wie sie nur in Riasinas mächtigstem Rausch getroffen werden konnten.
Aber dass die Erzkanzlei den Rat der Priester nicht schätzt, so diese Priester nicht Beamte der Erzkanzlei selbst sind, ist mir keine Neuigkeit.
Nun habe ich die Arbonier ermutigt, endlich Ordnung in ihrem eigenen Lande zu schaffen und voll Melancholie und Trägheit hat der arbonische Adel es noch immer nicht vermocht, aus seinen Reihen einen Grafen zu erwählen.
Aber Arbons Herz bleibt nun mal so lange durchbohrt, solange auf Trigardons Hochfürstenthron nur ein Leichentuch liegt.
Nun warnte ich die Flutländer, nicht den Geistern der Kriegsberauschten Großväter zu verfallen. Die Flutländer aber, als einzige meinen Rat beachtend, schießen heute weit über das Ziel hinaus, verschachern ihre Traditionen für Tand und ergehen sich in höfischer Dekadenz, während noch immer Armut und Machtlosigkeit ihren Stamm erdrückt.
Aber die Sorgen um die trigardonischen Stämme waren stets die Sorgen um das Reich selber. Eine helfende Hand mag im besetzten Altgar winken, ist es erst einmal befreit.
Und schließlich ermahnte ich das Heilige Kloster der Riasina auf das Dringlichste, die Ketzer aus ihren Reihen auszustoßen und sie nicht länger vor dem Licht der Götter zu verbergen. Nun reicht der Hochmeister des Riasinatischen Ordens mit schönen Worten mir, Adrian, die Hand zur Einheit, während sein Orden schon neue verderbte Lehren in neuen Schwarzen Schriften verbreitet, Schriften, die vor den anderen Kirchen verborgen werden, Lehren, die die Sonne selbst gar schrecklich verhöhnen und beleidigen.
Aber mein Vertrauen in riasinatische Versprechen habe ich nicht erst gestern verloren.
Unverhohlene Morddrohungen aus dem Dunklen Wald, eine Hochfürstliche Leibstandarte aus Creutzgläubigen, die Herrschaft der mit Korruption und Gesetzlosigkeit behafteten Ministerialen gegenüber dem wahren Stammesadel, das Fehlen von Gesetzesmacht gegen die Ketzer und Schwarzhexer, all das sind Sporne in meinen Flanken, die mich trieben, den Kampf um die Gerechtigkeit nicht aufzugeben.
Alleine ein Grund wiegt alle Gründe auf. Der Kronprinz unseres geliebten Reiches, Ardor anh Rhack II., der im Feldzug gegen das finstere Harnac fiel, ist nun in Fleisch und Geist von dämonischem Unleben zu uns zurückgekehrt. Und auch ich, Adrian, trage meine Schuld daran. Drei Jahre lang blieb Ardor II. unbestattet. Drei ganze Jahre lag der Leichnam unseres Helden aufgebahrt an geheimstem Orte, von mächtigen Zaubersprüchen vor dem Verfall geschützt. Drei lange Jahre lang klagte ich nicht den Leichnam dieses gewaltigen Kriegers ein. Denn ich verschloss Augen und Ohren vor dem Unrecht, dass ich ahnte und doch zu glauben nicht wagte.
Ich wusste durchaus davon, dass das Arkane Kommissariat im Besitze der sterblichen Überreste der Helden von Harnac war. Begründet wurde dies damit, dass die werten Kommissare die letzten Spuren der dämonischen Angriffe beseitigen müssten und die bösen Geister, die sich in den Toten einnisten wollten, noch auszutreiben seien. Ich fragte nicht, warum dies nicht die Priester in den Ritualen der reinigenden Bestattung tun könnten. Auch wollte ich nicht wissen, welche die wahren Gründe der Magier waren. Doch mein Gewissen hatte einen Verdacht. Ardor II., und nur er, hätte damals Hochfürst werden können. Wie groß muss die Versuchung für die Zaubermeister damals wohl gewesen sein, durch ihre Magie die Seele des Toten aus Riadugoras Händen zu reißen? Diesen Verdacht hatte mein Gewissen, aber ich schwieg und verbannte den Verdacht in meine Träume und in die einsamen Stunden, derer ich wenig hatte.
Und nun ist Ardor anh Rhack II. von ganz anderen Mächten ins Unleben geholt worden. Nun haben die Schwarzen Cirkater, die den Botan verehren, sich der Seele und des Fleisches dieses Hochfürstensohnes bemächtigt, nun ist alles noch viel schlimmer gekommen.
Und ich hätte es verhindern können.
Mit diesen Worten bin ich, Adrian, nicht länger der erste Legat des Riacommon, nicht länger der Innerste Abgesandte des Heiligen Konzils der Siebenfaltigkeit, nicht länger der Tribun der Reichskirche und nicht länger der Hohepriester Riasons.
Die letzten drei Jahre habe ich diese Titel und Würden zu Unrecht getragen.