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Doch Caroman sollte die Früchte seines Sieges nicht mehr selber ernten. Ein paar überlebende Verstoßene sannen auf Rache und töteten ihn, Canuphyra und Phejana bei einem nächtlichen Gelage. Die Verträge zwischen Flutländern und Arboniern aber wurden nicht gebrochen und ab dem nächsten Jahr feierte man jedes Jahr das Fest der Freundschaft. Zuvor war eine Jahreszählung anhand der Herrscherjahre des jeweiligen Stammesoberhauptes üblich gewesen. Als der Frieden zwischen Arboniern und Flutländern hielt, setzte sich eine neue Zeitrechnung durch. Heute zählt man die Jahre von Caromans Tod an fortlaufend: Das Jahr nach seinem Tod nennt man das erste, das gegenwärtige Jahr (2018) das „43. Jahr nach dem Martyrium des Heiligen Caroman“. Obwohl man die Tat von Caromans Mördern als verdammungswürdig einstuft, sieht man in ihrem Gelingen den Vollzug des Schicksals, welches zwar den göttlichen Werkzeugen selbst zum Verhängnis wurde, aber den letzten großen Stammeskrieg beendete und den Weg für ein neues Reich der Tugend und des Rechts ebnete.
 
Doch Caroman sollte die Früchte seines Sieges nicht mehr selber ernten. Ein paar überlebende Verstoßene sannen auf Rache und töteten ihn, Canuphyra und Phejana bei einem nächtlichen Gelage. Die Verträge zwischen Flutländern und Arboniern aber wurden nicht gebrochen und ab dem nächsten Jahr feierte man jedes Jahr das Fest der Freundschaft. Zuvor war eine Jahreszählung anhand der Herrscherjahre des jeweiligen Stammesoberhauptes üblich gewesen. Als der Frieden zwischen Arboniern und Flutländern hielt, setzte sich eine neue Zeitrechnung durch. Heute zählt man die Jahre von Caromans Tod an fortlaufend: Das Jahr nach seinem Tod nennt man das erste, das gegenwärtige Jahr (2018) das „43. Jahr nach dem Martyrium des Heiligen Caroman“. Obwohl man die Tat von Caromans Mördern als verdammungswürdig einstuft, sieht man in ihrem Gelingen den Vollzug des Schicksals, welches zwar den göttlichen Werkzeugen selbst zum Verhängnis wurde, aber den letzten großen Stammeskrieg beendete und den Weg für ein neues Reich der Tugend und des Rechts ebnete.
 
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== Der Aufstieg des Klerus ==
 
 
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Die Stämme der Arbonier, Flutländer und des Kleinen Volkes pflegen eine Erinnerungskultur, die den Rhythmus der Geschichte in Erfolg und Misserfolg großer Führergestalten, der Tugend oder Untugend von Völkern und Stämmen sowie dem gelegentlichen Eingreifen göttlicher Schicksalsmächte zu erkennen glaubt. Diese Geschichtswahrnehmung verstellt den Blick auf die prozesshaften Veränderungen, zu denen es rund um den Beginn der neuen Zeitrechnung gekommen ist. Dennoch hat man ein Bewusstsein dafür; schließlich muss man in Trigardon noch nicht alt sein, um Kindern davon erzählen zu können, was es in der eigenen Jugend alles noch nicht gegeben hat.
 
Nicht nur neue politische, militärische und religiöse Ideen, sondern auch neue Architektur, neue Anbautechniken und die Verfügbarkeit von Luxusartikeln wie etwa Papier und Glas haben fast alle Lebensbereiche fast aller trigardonischen Regionen beeinflusst. Wann und auf welchem Weg sich diese schönen Dinge verbreitet haben, ist oft schwer zu sagen.
 
 
Die größte Bedeutung wird dabei dem Siegeszug der Schriftkultur beigemessen.
 
<div class="mw-collapsible-content">Ihre ersten zaghaften Anfänge lassen sich mindestens bis in Caromans frühe Jugend zurückverfolgen. Sein Vater Hector Caroman anh Rhack ließ im 21. Jahr vor Beginn der heutigen Zeitrechnung die Schulen des Ischan erbauen, um dort die Kinder, die die wichtigsten arbonischen Sippenoberhäupter ihrem Heerführer damals als Geiseln stellen mussten, gemeinsam mit seinem Sohn zu erziehen. Schon bald wurde dieser Ort zu einer Institution, an der ein zentraler Kalender geführt und erste rudimentäre Geschichtsschreibung begonnen wurde.
 
Man kann davon ausgehen, dass sich schon vor der Gründung der Schulen des Ischan so viel Großgrundbesitz in den Händen der mächtigsten arbonischen Häuser angesammelt hatte, dass sie die Übersicht über ihren Reichtum nur noch mit Hilfe schriftlicher Listenführung bewahren konnten. Doch in der Regel empfand man es der Mühe nicht für Wert, solche „langweiligen“, oft nur auf Wachstafeln geritzten Notizen aufzubewahren. Man weiß also nicht mehr genau, wann diese Praxis begonnen wurde.
 
 
Damals war es unter den Stämmen und Sippen noch Gang und Gäbe, die Schamanen besiegter Gruppen zu verschleppen und sie als privilegierte Beutestücke unter die Haushalte der eigenen Verwandten und Gefolgsleute zu verteilen. Darüber hinaus hatten die Kundigen und Geistlichen selber das Verlangen nach Austausch, was sie dazu veranlasste, im Geheimen verschiedene Sekten und Lehrzirkel zu gründen. So trafen sich Kundige beider Stämme regelmäßig unter dem Schutz der Elben im Kreis der Mysterien und einige Einsiedler gründeten im Hochland des Dugor Harog unter dem Schutz des Zwergenkönigs das Kloster der Riadugora.
 
 
Mit den Jahren entstand über Stammeszugehörigkeit und Verwandtschaft hinaus ein Gemeinschaftsbewusstsein der Gelehrten. Zunehmend gelang es ihnen mittels drastischer Fluchan-drohungen, die Unverletzlichkeit der Schamanen zu erwirken. Ohne diese Entwicklung hätten Canuphyra und Phejana sicher nicht den Einfluss gehabt, die Stämme zum Fest der Freundschaft zu rufen. Die älteren Geistlichen und Kundigen erinnern sich zwar noch sehr gut an die Geschichten ihrer Lehrer über diese schweren Zeiten. Ihr historisches Selbstbildnis tendiert jedoch dazu, diesen mühseligen Emanzipationskampf zu verschweigen. Stattdessen prangert man lieber allgemein die Unmoral der finsteren Kriegszeiten an. Die Überlieferungen lassen es oft so aussehen, als ob neben den Sippenoberhäuptern schon immer ein weiterer allseits geachteter Stand von Vermittlern zwischen den Sterblichen und den Göttern und Geistern bestanden hätte.
 
 
Nach Caromans Martyrium entwickelten sie sich immer schneller zum schreibenden Stand, von dessen wachsendem Selbstbewusstsein die damals entstandenen Kloster- und Tempelbauten stolzes Zeugnis ablegen.
 
 
Zur dominierenden spirituellen Autorität wurde der Klerus aber erst, als er damit begann, die religiösen Lehren zu verschriftlichen. Die Heilige Schrift entstand. Für dieses Werk zeichnet kein einzelner Autor oder Prophet verantwortlich. Hinter seinem „unbekannten Verfasser“ verbergen sich unzählige Priester und Kundige, die über mehrere Jahrzehnte hinweg Überlieferungen der Stämme sammelten, die am weitesten verbreiteten und am wenigsten strittigen Erzählungen auswählten, sie in eine chronologische Reihenfolge setzten, in Kurzform nacherzählten und mit moralischen Belehrungen versahen. Wer zu welchem Zeitpunkt die letztgültige Form davon verfasste, weiß tatsächlich niemand und man legt großen Wert darauf, dass das auch keine Rolle spielt. Im 14. Jahr der neuen Zeitrechnung wurde dieser Text dann, von Wunderereignissen begleitet, „aufgefunden“. Es ist natürlich allgemein bekannt, dass die Heilige Schrift ein von Menschenhand geschaffenes, erst in jüngster Zeit entstandenes Werk ist. Das steht aber keinesfalls im Widerspruch dazu, in ihr eine göttliche Offenbarung zu sehen. Es ist vielmehr ein Beispiel dafür, dass die Götter durch ihre Priester wirken.
 
 
Das 14. Jahr nach dem Martyrium des Heiligen Caroman ist im kollektiven Gedächtnis ein Symboljahr für Vielerlei. Damals sollen die angesehensten Gelehrten dieser Zeit die göttliche Inspiration zur Gründung Trigardons erhalten haben. Es gilt als das Jahr, in dem die Kunst des Lesens und Schreibens sich unaufhaltsam über das ganze Land auszubreiten begann. Inzwischen, drei Jahrzehnte später, ist es für Edle nicht mehr absonderlich, ihre Kinder auch dann darin unterweisen zu lassen, wenn sie gar nicht für eine geistliche Laufbahn vorgesehen sind. In manchen Regionen soll im Jahr 14 der schwere Wendepflug aus Altberg übernommen, eine Fruchtfolge aus Roggen und Hafer eingeführt, Sklavenhandel und Menschenopfer eingestellt oder die Jugend von frommen Ritteridealen erfasst worden sein. Die Setzlinge all dieser Neuerungen trieben in den vier Jahrzehnten rund um das Martyrium des Heiligen Caroman aus, was auch keinen Trigardonen verwundert, wenn er bewusst darüber nachdenkt. Doch Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur verlangen die Verknüpfung all dieser Entwicklungen mit einem Symboljahr. Es ist das Jahr des religiösen Erwachens, in dem die Götter die Sterblichen für die Einhaltung von Recht und Frieden belohnten.
 
 
Damals wurde auch die Teilung der Schamanen in einen geistlichen und einen kundigen Stand sichtbar. Es ist zwar noch heute möglich, beiden Ständen anzugehören. Doch schon im ersten Jahrzehnt der heutigen Zeitrechnung handelte es sich dabei um Ausnahmen, die seither immer seltener geworden sind. Der freimagische Orden der Riasinaten, der sich unmittelbar nach der Auffindung der Heiligen Schrift gegründet haben will, verband noch Teile beider Gruppen unter gemeinsamer Ordensregel. Doch er schlug damit einen Sonderweg ein.
 
 
Auch in philosophischen, moralischen und politischen Fragen sollten die Riasinaten künftig sehr eigenwillige Wege gehen. Alle anderen Sekten und Lehren des Landes wuchsen spätestens im Verlauf der Zwanzigerjahre zur Siebenfaltigen Religion mit ihrem gemeinsamen, wenn auch heterogenen Klerus, zusammen. Die Riasinaten entzogen sich dieser Integration.
 
 
Ihr Ordensgründer, Phadrhack Natan anh Ria, genoss in beiden Stämmen hohes Ansehen. Er hatte einst mit dem Heiligen Caroman ausgehandelt, das Gesetz der Verstoßenen im Dunklen Wald unblutig, als Lehrer und Richter, durchzusetzen. Was sich an Wissen und Überlieferungen der Elben noch zusammentragen ließ, wurde von Phadrhack und seinen Anhängern bewahrt. In Riasinas Namen gewährte er auch vielen in Flutland und Arbon unerwünschten Menschen Zuflucht im Dunklen Wald. Man ermutigte sie, sich künftig nicht mehr als Nachkommen Ischans und Natans, sondern als Untertanen der Mondgöttin zu sehen. Schließlich stiftete er bei Gründung des Ordens seinen Grundbesitz, der als „Kloster der Riasina am Lichtungsstein“ zum Verwaltungszentrum des Dunklen Waldes wurde.
 
 
Auch wenn man den Dunkelwald heute gerne als Brutstätte von Sittenverfall und Irrlehren sieht, stand die Geistlichkeit der Stämme Phadrhacks Wirken anfangs noch wohlwollend gegenüber. Dass die Riasinaten ihre Geheimlehren nicht mit den anderen Geistlichen teilten, galt als akzeptabel. Schließlich kennen alle spirituellen Gemeinschaften höhere Mysterien, die nur Eingeweihten offenbart werden. Die Kundigentradition der Riasinaten ließ es darüber hinaus schlüssig erscheinen, bestimmte Geheimnisse streng zu hüten. Denn immerhin war einst Botan mit seinen eigenen Mitteln besiegt worden.
 
 
Doch der Respekt vor den Riasinaten sollte nach Phadrhacks Verscheiden bald schwinden. Bei der Reichsgründung im Jahr 19 spielte ihr Charisma noch eine wichtige Rolle. Ihr künftiger Politikstil tauschte dieses Ansehen jedoch gegen den zweifelhaften Ruf von Spionen, Verschwörern und Anstiftern von Attentaten ein. Ein Ruf, dessen Einschüchterungspotenzial sich Anfang der Dreißigerjahre abgenutzt hatte.
 
 
Natürlich konnten die riasinatischen Ideen nicht gänzlich geheim bleiben. Bald zirkulierten im Dunklen Wald immer abenteuerlichere Auslegungen der Heiligen Schrift, die ihr bisweilen gar direkt widersprachen und die mündlichen Überlieferungen gerne komplett ignorierten. In den – eigentlich nicht für Außenstehende gedachten – „Schwarzen Schriften“ fand man zwischen harmloser Dichtung und nützlichen Abhandlungen zur Imkerei auch Texte, die über Botans „verehrungswürdige Aspekte“ dozierten und Riasion unterstellten, sein Sonnenlicht einst von Riasina gestohlen zu haben. Zwei implizite Behauptungen zogen sich wie ein roter Faden durch riasinatische Predigten: Dass alle Götter sterblich seien und dass Riasina mehr zu preisen sei, als die anderen Hauptgötter.
 
 
Dieses Abweichlertum beschleunigte den Einigungsprozess der übrigen Geistlichkeit wahrscheinlich sehr. Im Jahr 22 wurde im Kloster des Riason im Längstal von Arbon das Heilige Konzil der Siebenfaltigkeit ausgerufen, um die Reinheit und Einheit der Siebenfaltigen Lehre festzuschreiben. Weil diese Aufgabe nicht mit einer einzigen Versammlung zu erfüllen ist, gilt das Heilige Konzil als ständige Handlung, die bis heute andauert – wenngleich sie schnell viel ihres Elans einbüßte. Neben dem Kloster der Riaranjoscha in Flutland, dem Hochtempel des Riamodan in Arbon und dem Kloster der Riadugora im Dugor Harog, schloss sich nach anfänglichem Zögern auch der Hochtempel des Riasion in Nordern an. Im Jahr 27 gelang dem Konzil die Einigung auf eine schriftliche Erläuterung zur Heiligen Schrift, die mittlerweile jeder Abschrift als zweiter Anhang beigefügt wird.
 
 
Die Riasinaten wagten nicht, sich offen gegen die herrschende Meinung zu stellen und stimmten der Ächtung einiger ihrer Schriften zu. Doch Gesten und Versprechungen vermochten das Vertrauen in ihre moralische Integrität nicht wieder herzustellen.
 
 
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Version vom 7. Januar 2018, 21:55 Uhr

"Gedenke der Ahnen, denn ihr Schicksal offenbart den Göttlichen Pfad. Siehe: Die Brücke zur Zukunft heißt Vergangenheit."


Das Werden der Völker

Trigardonen neigen dazu, die in den Sagen ihrer Vorfahren beschriebenen Ereignisse für historische Fakten zu halten. Daher beginnt die Weltgeschichte für sie mit den mythischen Vorgängen, die den Zyklus von Tag und Nacht in Gang setzten, dem „Anbeginn der Zeit“. Der zuvor gewesene paradiesische Ursprungszustand, die „immerwährende Tagnacht“, wurde durch Streit unter den Menschen, der schließlich auf die Götter übergriff, unterbrochen. Dieser Zustand wird unweigerlich eines Tages wiederkehren. Einzig, ob die Menschheit Teil dieser vollkommenen Harmonie sein kann, bzw. welche schrecklichen Strafen sie auf dem Weg dahin noch auf sich ziehen mag, ist offen.

Im Zwist der Urzeit sehen Arbonier und Flutländer ihre Wurzeln: Die beiden „Weltväter“ erkannten als erste Menschen das Wirken der Götter. Ischan lehrte seine Anhänger die Jagd und die Schmiedekunst, sein Bruder Natan lehrte seine Schüler die Nutzung der Pflanzen und den Umgang mit der Geisterwelt. Der größere Reichtum von Natans Anhängern führte zu Neid und Zwist zwischen den Brüdern, die sich im Zweikampf gegenseitig zu Tode brachten. Ihre Anhänger setzten den Streit immer wieder fort, auch wenn sie sich über die Generationen sicherlich auch vermischten und zwischenzeitlich die Welt bevölkerten. Mit den Jahren wurden der „Stamm des Ischan“ zu den Flutländern und der „Stamm des Natan“ zu den Arboniern.

Der Streit der Weltväter veränderte aber auch das Verhältnis zwischen Menschen und Göttern: Riasion (die Sonne) und Riasina (der Mond), sowie Riaranjoscha (das Wasser) und Riamodan (das Feuer) zerstritten sich, weil sie jeweils einen anderen der zänkischen Brüder begünstigt hatten. Da schickte der Sohn der Himmelsgötter, der gerechte Riason (der Gott der Dämmerung), seine Mutter Riasina in die Nacht und seinen Vater Riasion in den Tag. Riamodan und Riaranjoscha wies er ebenfalls verschiedene Herrschaftsräume zu. Riaplot (die Erde) zürnte den Menschen wegen ihrer Zerstörungswut. Seit dem straft er sie mit Arbeit, um sie Demut zu lehren, anstatt ihnen die Früchte der Erde vorbehaltlos zu schenken.

Doch ehe die Menschen Einsicht zeigten, begingen sie schlimmeren Frevel: Botan, ein Nachkomme der Weltväter, der ihr Wissen über die göttlichen Mächte besaß, schwang sich zum Herrn der Sterblichen auf. Dabei gewann er Riamodan als Verbündeten, der ihm viele Geheimnisse der Götter verriet und im Gegenzug die Dienste der Menschen bekam, was ihm im Streit mit den anderen Göttern einen kurzfristigen Vorteil verschaffte. Botan missbrauchte die göttliche Kraft, Leben zu formen. Er band Lebende und Tote sowie viele Wesen der Geisterwelt mit Zauberei an seinen Willen, schuf perverse Dämonen und Menschtiere und richtete ein Blutbad unter Jenen an, die sich ihm nicht unterwerfen wollten, bis kaum noch Menschen lebten. Die anderen Götter aber erbarmten sich der Überlebenden, gewannen Botans Schüler für sich, verrieten ihnen seine Geheimnisse und bewirkten, dass er mit der eigenen Macht vernichtet wurde.

Als Botan besiegt war, wurde Riamodan in die Unterwelt, das Reich der allverzeihenden Riadugora (der Wind- und Todesgöttin) verbannt. Gemeinsam mit ihm verbannten die Götter Riasina, weil sie im Schiedsgericht der Götter für Riamodan Partei ergriffen hatte. Spätestens seit dieser Zeit kann man im Nachthimmel die Unterwelt erblicken, wie sie von den Sternen, den Herdfeuern der Ahnen, erleuchtet wird.

Erst jetzt entstanden nach siebenfaltiger Vorstellung die Zwerge und Hobbit. Die Götter schufen sie aus den Kleinsten der Menschen, die Botans Streben entgangen waren, um seine Anhänger zu vernichten, die noch immer die Menschheit knechteten. Diese Überlieferung deckt sich insofern mit der des Kleinen Volkes in Trigardon, als dass es seinen Ursprung ebenfalls in einem Befreiungskampf gegen die Mächte der Verderbnis sieht, auch wenn sie sich die Weltväter natürlich eher wie Zwerge, nicht wie Menschen vorstellen. Das Kleine Volk genießt bei den Arboniern ungebrochenen Respekt für die Taten seiner Ahnen in der Vorzeit. Doch unter den Flutländern sind Stimmen laut geworden, nach denen die Zwerge und Hobbit damals ihre Aufgabe im Schicksalslauf erfüllten und nun nicht länger gebraucht würden.

Die bis hierhin beschriebenen Ereignisse werden in Trigardon nicht ernsthaft datiert. Spekulationen, ob sie nun dreitausend oder dreißigtausend Jahre her sind, bleiben bedeutungslos. Es sind die Mythen, mit deren Hilfe erklärt wird, warum die Welt ist, wie sie ist. In einem fließenden Übergang setzen erst danach die Überlieferungen der Ahnenkulte einzelner Sippen und die frühesten, blassen Erinnerungen des kollektiven Gedächtnisses ein. Zumeist beginnen die verschiedenen Erzähltraditionen mit göttlichem Rat oder Befehl, oft vermittelt durch legendäre Lehrergestalten und heroische Stammhalter/innen.

Die wichtigsten (weil für die Gesamtheit der Gläubigen verbindlichen) dieser Anweisungen haben es in die in jüngerer Zeit entstandene Heilige Schrift geschafft. Dieser Text beschränkt sich aber in seinen erzählenden Anteilen nur auf das unbedingt Notwendige und hat nicht den Anspruch, den reichen Sagenschatz der Flutländer und Arbonier zu verschriftlichen.

Timor, der König des „Volkes der kriegerischen Bauern“ (ein inzwischen verschwundener arbonischer Teilstamm) wird immerhin namentlich erwähnt. Im „großen Gleichnis“ erklärt er den Menschen, wie sie fromm leben sollen: In dem sie für Glück danken, anstatt ihr Unglück zu beklagen, welches sie durch Freveltaten selbst über sich brachten.

Beim „Gesetz der Verstoßenen“ kennt die mündliche Überlieferung unterschiedliche menschliche Vermittler, die Heilige Schrift legt sich auf keinen bestimmten fest. Hier verfügen die Götter, dass die Menschen nicht mehr mit den Unfruchtbaren unter ihnen schlafen sollen, sondern sie aus ihrer Gemeinschaft verstoßen müssen, um ihre Gesunden von der Kinderlosigkeit zu heilen. Die Unfruchtbaren sollten in die Wälder gehen und sich verstecken. Zum Ausgleich für ihre Kinderarmut schenkten ihnen die Götter ihren Schutz und wundersame Langlebigkeit. So entstanden die Elben, die man auch „die Verstoßenen“ nennt.

In der Heiligen Schrift geben die Götter diese Ratschläge und Anweisungen in schlimmen Zeiten, in denen es nur wenige Menschen gibt, die sich mühsam gegen bedrohliche Menschtiere behaupten müssen und dabei stets in Gefahr sind, vom Pfad der Tugend abzukommen. In diesen Rahmenbedingungen sind auch viele der älteren Heldensagen angesiedelt. Sie beschreiben eine Epoche grausiger Orkkriege.


Das alte Gar

Von den Geschichten über diese Ära sind die Sagen um den Heiligen Danason und die Entstehung des Königreichs von Altgar am einflussreichsten. Man glaubt heute sogar, ein noch aus dieser Zeit selbst stammendes schriftliches Zeugnis in einem jüngst geschehenen Wunderereignis offenbart bekommen zu haben. Die „Geschichte vom Leben und den Taten des Heiligen Danason“ entspricht im Wesentlichen der mündlichen Überlieferung, hebt aber den Titelhelden als Heilsbringer mit halbgöttlichem Blut ganz besonders hervor. In diesem Sagenkreis formen die Königinnen und Könige aus dem Geschlecht der Phadra (einem – ebenso wie die kriegerischen Bauern von Timors Volk – inzwischen verschwundenen arbonischen Teilstamm) ein erfolgreiches Kriegsbündnis gegen die Menschtiere. Es besteht aus vielen kleinen arbonischen, flutländischen, zwergischen und sonstigen (sogenannten „barbarischen“) Königreichen und Volksgruppen in einer Region, die sich über Teile der heutigen Länder Trigardon, Anrea und Winningen erstreckt. Am Ende von Danasons Wirken wird es zum „goldenen Königreich von Gar“ vereinigt.

Der endgültige Sieg über die Orks wurde aber wohl erst im Bund mit den Verstoßenen errungen. Diese Zusammenarbeit stand jedoch unter keinem guten Stern. Es heißt, die Götter hätten das Zweckbündnis nur widerstrebend gebilligt, da sie eigentlich keinen Kontakt zwischen Menschen und Elben wünschen. Nach der Vernichtung der Menschtiere kam es zum befürchteten Zwist zwischen den Völkern. Die Schrift über den Heiligen Danason weiß von hochmütigen Elbenfürsten und gebrochenen Verträgen zu berichten, in einer Fülle anderer Erzählungen geht es um Kinderraub durch die Verstoßenen, der Heiligen Schrift reicht der Bruch des Gesetzes der Verstoßenen bei einer Siegesfeier als Erklärung für den Streit völlig aus. Man kennt auch ein paar bruchstückhafte elbische Überlieferungen, die ebenfalls von unerwünschtem sexuellen Umgang mit Menschen berichten.

Die Götter hatten eine klare Antwort darauf, wie die Schande zu tilgen sei: Sie wiesen den frommsten Schmied an, eine heilige Klinge zu schmieden und sie dem frommsten Krieger (der je nach Variante Danason gewesen ist oder namenlos bleibt) zu übergeben. Ihm sollten die Menschen folgen, um die Elben zur Unterwerfung unter das Gesetz der Verstoßenen und zur Verehrung der Sieben zu zwingen – oder sie mit dem Schwert zu richten. Der darauf folgende Krieg sollte grausam und mühselig werden, den Menschen schreckliche Opfer abverlangen und ihnen kaum weltlichen Nutzen bringen, war er doch ebenso für sie als Strafe gedacht. Dennoch blieben sie vorwiegend siegreich im Kampf gegen die Verstoßenen.

Man weiß erstaunlich wenig über das weitere Schicksal des Königreichs von Altgar. Die meisten Erzählungen beschreiben es als einen idealen Staat des Rechts und der Tugend, ohne viele Details zu verraten. Schon bei den tradierten Königs- und Königinnenlisten ist nicht immer bekannt, ob es sich um Gesamtherrscher oder Potentaten kleinerer Teilreiche handelt, in die das Reich offenbar nach einer Weile zerfiel.

Welche entscheidenden Gründe zu seinem Untergang führten und ob er sich eher als langsamer Verfall oder als plötzlicher Zusammenbruch entfaltete, ist unklar. Die Heilige Schrift berichtet davon, dass inmitten von Wohlstand und Sicherheit der Müßiggang zum Sittenverfall führte. Dies gab schlechten Menschen Gelegenheit, „Hass zu säen, um Macht zu ernten“, was einen neuerlichen Krieg zwischen Ischans und Natans Stamm herbeiführte. In Flutland erzählt man sich Geschichten, nach denen die Arbonier aus Gier und Bosheit alle Flutländer aus dem Königreich vertrieben hätten. Kundige berichten auch von Flüchen, die verschiedene Angehörige des Königsgeschlechts aufgrund ihres Hochmutes auf sich gezogen hätten, was zu Kinderarmut, komplizierten Erbfolgeregelungen und schließlich zu Thronkämpfen führte.


Die Geschichtsbilder der südlichen und südwestlichen Nachbarregionen Trigardons, heute die Länder Anrea und Winningen, weichen von diesen rein moralischen Erklärungsmustern ab. Ins-besondere in Winningen, aber auch im Süden Anreas hat die Bedrohung durch Orks nie wirklich aufgehört. Das Gedenken an ein mächtiges Vorgängerkönigreich, das die Menschen von dieser Plage erlöste, spielt dort keine besondere Rolle. Doch hat man Erinnerungen an durch böse Geister ausgelöste Katastrophen bewahrt, die ungefähr zu der Zeit stattfanden, in der Altgar zerfallen sein muss. In den meisten Varianten ist das etwa vier bis sechs Jahrhunderte her.

Nicht nur die Zerstörungen im Zuge endloser Kriege und das Abreißen der Schriftkultur in Arbon und Flutland legten einen Schleier von Unwissen über das goldene Zeitalter. Späteren Generationen wurde der Zugang zur Vergangenheit auch dadurch erschwert, dass die Vorfahren in der heute so genannten „vergessenen Sprache“ sprachen und schrieben. Sie ist älteren zwergischen Dialekten zwar nicht unähnlich, wird vom Kleinen Volk aber nicht mehr verstanden. Auch die Elben scheinen ihr einige Vokabeln entlehnt zu haben. Die Menschen verwenden sie fast nur noch in alten Namen (z. B. „Dugor Harog“ = „Berg/ Gebirge des Todes“, „Tesch“ = „Pferdeherr/ Reiterkrieger“, „Ystjar“ = „Mutter“, „Dun/ Don“ = „Haus/ Land“, „Gar“ = „Gedanke/ Geist/ Gesetz“ oder „Ria“ als Kennzeichnung des Göttlichen). Ganze Sätze kann niemand daraus bilden. Warum es innerhalb weniger Jahrhunderte zu einem so umfassenden Sprachwandel kam, weiß zwar niemand, ist aber für die Trigardonen auch nicht weiter erklärungsbedürftig. Sprachen ändern sich eben – genauso wie Landschaften und das Wetter.


Der letzte große Stammeskrieg

Die letzten erzählenden Verse der Heiligen Schrift erscheinen zugleich wie eine Ermahnung an gerechtere Zeiten und als programmatischer Zukunftsentwurf. Im Angesicht der anbrechenden finsteren Epoche geben die Götter den Stämmen von Ischan und Natan ein letztes Mal Gesetze für ein gerechtes Zusammenleben. Dass die Sterblichen dafür wieder einmal taub blieben, muss im Text nicht mehr eigens erwähnt werden. Erst Generationen später, als die Heilige Schrift verfasst wurde, sollten sich spirituelle Autoritäten wieder erfolgreich auf diese göttlichen Gebote berufen. Zuvor aber kam es zu einer Abfolge von bewaffneten Auseinandersetzungen unterschiedlicher Reichweite, Intensität und Dauer, die man heute als „den letzten großen Stammeskrieg“ zusammenfasst.

Mit einigem Recht sieht man darin die blutige Kinderstube der Stämme der Arbonier und Flutländer. Denn einerseits sind die heute Alten durchweg in ihrer Kindheit von den damaligen traumatischen Lebensumständen geprägt worden (deren Eltern wiederum nie etwas anderes hatten kennenlernen dürfen), andererseits handelt es sich um die Epoche, in der sich die gegenwärtigen kollektiven Identitäten überhaupt erst formten.

Die Religion will es zwar so, dass Stämme des Ischan und des Natan schon seit je her vorhanden gewesen sind und ihre Friedensunwilligkeit mit den schlechten Seiten der Menschennatur zu erklären ist. Doch ihre heutigen Sitten und Rechtsordnungen, die sie schließlich zu nur noch zwei eindeutig voneinander unterscheidbaren Gruppen machten, erhielten sie wohl erst im letzten großen Stammeskrieg. Man kann sogar annehmen, dass sie sich erst „Arbonier“ und „Flutländer“ nannten, nachdem die Bewohner des Längstals von Arbon und des flutländischen Hochmoores erfolgreich zu militärischen Blöcken geformt worden waren. Ungebrochene Kontinuität der Überlieferung setzt jedenfalls erst in einer historischen Situation ein, in der es keiner Begründung mehr für die Feindschaft zwischen ihnen bedurfte.

Damals fand zwar keine Geschichtsschreibung statt, doch es wurden lange Abfolgen von Lobreden auf die verstorbenen Sippenoberhäupter tradiert (um die 20 bei den ältesten arbonischen Häusern), von denen viele später zum Stoff für Heldenlieder wurden. Daneben ist man davon überzeugt, in bestimmten Ritualen unmittelbar mit den Geistern der Ahnen kommunizieren und auf ausschnitthafte Erinnerungen aus den Vorleben von Hexen und Schamanen zurückgreifen zu können. Und hinter dem Bild idealisierter (eigener) und verdammter (gegnerischer) Führer, hinter den Waffentaten, Überfällen, Verschleppungen, Versklavungen und gelegentlichen Massenmorden werden im Ahnengedenken auch die verwischten Spuren langfristiger Veränderungsprozesse sichtbar.

So scheinen sich viele kleinere Sippen (sprichwörtliche 49) der Flutländer unter strategischem Druck zu 14 Großverbänden zusammengeschlossen zu haben. Obwohl die Kriegsherren den gemeinsamen Oberbefehlshaber durch Wahl bestimmten, handelte es sich dabei fast immer um einen Ehemann, Sohn oder Bruder des Sippenoberhauptes der anh Crul. Zugleich entwickelte sich in Arbon ein System von Heerfolge- und Tributverpflichtungen, ohne dass die Sippenverbände auf Heeresstärke anwachsen mussten. Die Führung lag bei den Familien, die sich als militärisch besonders leistungsfähig erwiesen. Wer Pferde für den Krieg züchten, schlagkräftiges Gefolge versorgen und Waffenschmieden betreiben konnte, behauptete damit den Status der eigenen Verwandten in der arbonischen Aristokratie. Die drei erfolgreichsten dieser Sippen, die anh Rhack, anh Argayne und anh Garesch, die ihre Abstammung noch auf das Geschlecht Phadras zurückführen, machten die Frage des Oberbefehls in der Regel unter sich aus. Immer häufiger wählte man jedoch den jeweils ranghöchsten Kriegsherrn der anh Rhack, deren Stammsitz die dem Flutland am nächsten gelegene Festung (später „Burg Bärenfels“ genannt) war. In den letzten Jahrzehnten des Krieges galt der Heerführer der Arbonier dann schließlich als „edelster Sohn Natans“, dessen Wahl durch die Edlen fast nur noch Formsache war.

Indes waren Flutländer und Arbonier nicht die einzigen Kriegsparteien geblieben. Auch die „Alten Reiche“ der Elben und des Kleinen Volkes hatten ihren Anteil daran, dass der Konflikt immer wieder neu entfacht wurde. Die Sicht der Zwerge auf den Krieg ist bei den Menschen recht gut bekannt, gibt es doch auch heute noch einige Langbärte, die auf gute zweihundert Jahre eigener Erinnerungen zurückblicken können. Sie wissen davon zu berichten, dass ihr Volk im Dugor Harog und rund um das flutländische Hochmoor unzugängliche Enklaven besaß, in denen die politischen Angelegenheiten selbstständig geregelt wurden. Der Zwergenkönig des Hochlandes besaß damals lediglich einen Ehrenvorrang. Doch sie alle lebten unter den gleichen strategischen Grundbedingungen: So lange Arbonier und Flutländer sich gegenseitig an die Kehle gingen, blieben die Sippen des Kleinen Volkes umworbene Verbündete. Sollte sich aber ein Menschenstamm gegen den anderen durchsetzen, würde dieser auch die Macht besitzen, die Unterwerfung der Zwerge zu fordern. Daher tendierten die Führer des Kleinen Volkes dazu, die jeweils schwächere Partei der Menschen zu unterstützen. Diese Überlebensstrategie wurde von drei Faktoren begünstigt: Erstens hatten (und haben) die Zwerge und Hobbit des Hochlandes jede Möglichkeit, arbonischen und flutländischen Heeren nach Belieben den Weg ins Gebiet des jeweils anderen zu erlauben oder zu versperren. Zweitens pflegten sie schon früh freundliche Beziehungen zu ihren östlichen Nachbarn, den Altbergern. Bis zu deren Heimat reichte der lange Arm arbonischer und flutländischer Heerführer damals noch nicht. Und drittens verfolgten die Elben im Dunklen Wald gegenüber den Menschen die gleiche Politik.

Ihre Sicht der Dinge ist im heutigen Trigardon weit weniger bekannt als die Überlieferungen des Kleinen Volkes. Man misstraut den Erzählungen der selbstgerechten Verstoßenen, die bei den menschlichen Genealogien gerne mal dutzende von Generationen überspringen und in denen der letzte große Stammeskrieg als kaum mehr denn Gezänk verfeindeter Hirten erscheint, die sich nicht auf Weiderechte einigen können. Zu allem Überfluss weisen diese frechen Geschichten das verbreitete Motiv des Kinderraubes den Stämmen Natans und Ischans zu, die sich angeblich gegenseitig Königskinder stahlen und die Schuld bei den Elben abluden.

Arbonier und Flutländer nehmen heute an, dass das Gesetz der Verstoßenen während des letzten großen Stammeskrieges zusehends in Vergessenheit geriet, bis sich schließlich nur noch das Volk Galadhons, des Elbenfürsten im Taur Kyriad, daran hielt. Nördlich seines Reiches lebten mehrere andere Gruppen von Verstoßenen, die ihm und sich untereinander nicht immer freundlich gegenüber standen, während sie ihre Territorien mit Zauberkünsten, Abschreckung und unbarmherziger Waffengewalt sicherten. Doch auch für sie war es von vitalem Interesse, sich in wechselnden Bündnissen am Krieg der Menschen zu beteiligen und dabei stets Gründe für seine Fortsetzung zu liefern.


Der Heilige Caroman

Folgt man den religiösen Vorstellungen, nach denen es im Kampf zwischen Ischan und Natan natürlicher Weise keinen Sieger geben kann, dann konnte erst göttliches Eingreifen ein Ende des Krieges bewirken. Dieses Eingreifen begegnet zuerst in Gestalt von zwei Priesterinnen der Riaranjoscha: Canuphyra vom Stamm der Arbonier und Phejana vom Stamm der Flutländer riefen die Anführer der Menschen und Zwerge zum Fest der Freundschaft nach Nordern. Dieses Fest soll zwar schon in den Tagen Altgars dazu gedient haben, Frieden zwischen den Stämmen zu stiften, stellte nun aber etwas grundlegend Neues dar. Nicht nur sollten die Kriegsherren überhaupt zu Friedensgesprächen zusammenkommen. Sie sollten auch im Wettstreit ihrer besten Kämpfer einen Schlichter (den „Dan“) bestimmen, vor dem künftiger Streit unblutig verhandelt werden sollte.
Man betrachtet es als Wunderereignis, dass es wirklich zu dieser Versammlung kam, obwohl die Arbonier seit einigen Jahren durchweg Siege errungen hatten. Der Frieden aber wurde damit noch nicht erreicht.

Ferangosch, ein Krieger des Kleinen Volkes, erstritt zum Missfallen der Arbonier und Flutländer den Sieg beim Waffenspiel. Doch um Dan der Stämme zu werden, musste er sein Herz durch drei Fragen der Priester prüfen lassen. Phejana und Canuphyra erkannten ihn für unwürdig. Als das Stammesoberhaupt der Arbonier, Caroman Phadrhack anh Rhack, von dem Ergebnis der Danprüfung erfuhr, fühlte er sich an den Festfrieden nicht mehr gebunden und tötete Ferangosch noch während des nächtlichen Gelages. Als daraufhin Arybor anh Crul, das flutländische Stammesoberhaupt, seine Gefolgsleute zu den Waffen rief, flohen die Sippenoberhäupter des Kleinen Volkes im Schutz der Dunkelheit. Auch wenn alle Seiten schließlich ohne größeres Blutvergießen auseinander gingen, sah es nicht so aus, als ob es zu einem weiteren Fest der Freundschaft kommen würde.

Die Nachwelt beurteilt Caromans Verhalten bis heute unterschiedlich. Eine Minderheit der Gelehrten aus beiden Stämmen vertritt die Ansicht, dass ein Dan, der die Prüfung durch die Priesterschaft nicht besteht, sein Leben verwirkt habe. Sie sehen Ferangoschs Tötung also durch das Urteil von Canuphyra und Phejana legitimiert. Die Mehrheit betont den Frevel, der durch den Bruch des geheiligten Friedens am Fest der Freundschaft begangen worden war, wofür Caroman später mit dem Leben bezahlen sollte. Beliebt ist auch der Versuch, beide Lesarten miteinander zu verbinden, indem man dem arbonischen Heerführer unterstellt, seine unausweichliche Bestrafung willig in Kauf genommen zu haben, um die Schlichtung des Stammeskrieges durch einen unwürdigen Dan zu verhindern. Er stand jedenfalls im Zentrum des nächsten göttlichen Eingriffs in die Geschicke der Sterblichen, weshalb man ihn heute als den „Heiligen Caroman“ verehrt.

Noch auf seinem Heimritt durch das Tejadun wurde er von plötzlich aufziehendem Nebel verschluckt und blieb für ein ganzes Jahr verschwunden. Die Erklärung Canuphyras, die Götter hätten ihn entrückt, zögerte die Wahl eines neuen Stammesoberhauptes nur kurz heraus. Als Arybor in den Wochen danach einige überraschende Siege gegen die Arbonier erstritt, wählten diese gegen den Willen der Sippe Rhack Volcan Sarymor anh Garesch zum neuen Heerführer. Die meisten Zwerge verweigerten nach den Ereignissen vom Fest der Freundschaft beiden Stämmen Waffenhilfe, also nahm Volcan ein Bündnisangebot der Elben dankend an.

In dieser Situation kehrte Caroman mit göttlichem Auftrag und heiligem Reliquienschwert zurück. Man sagt, er habe ein Jahr lang Zwiesprache mit den Göttern gehalten und erkannt, was nötig sei, um die Kinder Ischans und Natans zum Frieden zu bewegen: Zunächst müssten sie das Gesetz der Verstoßenen erneut durchsetzen und damit Jene unterwerfen oder tilgen, die die Stämme entzweiten. Dafür hatte Caroman von Riamodans Dienern die heilige Klinge erhalten, die schon in Danasons Tagen zu diesem Zweck geschmiedet worden war.

Nun fielen viele Arbonier, vor allem die mit der Sippe Rhack besonders verbundenen Häuser sowie die Bewohner des Tejadun, von Volcan ab und wendeten sich wieder Caroman zu. Auch Arybor beschloss, dem einstigen Feind im Kampf gegen die Verstoßenen und ihre Verbündeten beizustehen. Anders als die Elbenkriege der Legenden war dieser Kampf sehr schnell entschieden. Volcan geriet nach ersten Schlachten im Dunklen Wald in Gefangenschaft und tötete sich in einer Geste der Unterwerfung selbst, womit er seiner Sippe spätere Racheakte ersparte. Danach war der Widerstand von Caromans und Arybors Gegnern schnell gebrochen. Doch ehe die Sieger wirklich alle Verstoßenen umbringen konnten, kam es zur Schlichtung am Kreis der Mysterien, einem Ort mächtiger Geister im Herzen des Dunklen Waldes. Mehrere namhafte Kundige unter der Führung von Phadrhack Natan anh Ria handelten freies Geleit für alle Elben aus, die sich in Galadhons Reich flüchten wollten und versprachen, die Übrigen in den Lehren der Sieben zu unterweisen sowie die Einhaltung des Gesetzes der Verstoßenen zu achten und zu überwachen.

Caroman gelang es, seine Herrschaft über die Arbonier wieder zu festigen und einigte sich mit Arybor auch auf eine Aufteilung ihrer Einflussgebiete: Während beide Stämme gemeinsam die Hegemonie über die Bewohner des Dunklen Waldes ausüben würden, mussten die Sippen des Kleinen Volkes sich entscheiden, ob sie sich dem arbonischen oder dem flutländischen Stammesoberhaupt unterwerfen wollten. Darüber hinaus beschlossen sie, dass das Fest der Freundschaft von nun an jedes Jahr gefeiert werden sollte und Streitigkeiten zwischen den Stämmen entsprechend der von Canuphyra und Phejana verkündeten Regeln im „Tribunal“ unter dem Vorsitz des Dans unblutig geschlichtet werden sollten.

Doch Caroman sollte die Früchte seines Sieges nicht mehr selber ernten. Ein paar überlebende Verstoßene sannen auf Rache und töteten ihn, Canuphyra und Phejana bei einem nächtlichen Gelage. Die Verträge zwischen Flutländern und Arboniern aber wurden nicht gebrochen und ab dem nächsten Jahr feierte man jedes Jahr das Fest der Freundschaft. Zuvor war eine Jahreszählung anhand der Herrscherjahre des jeweiligen Stammesoberhauptes üblich gewesen. Als der Frieden zwischen Arboniern und Flutländern hielt, setzte sich eine neue Zeitrechnung durch. Heute zählt man die Jahre von Caromans Tod an fortlaufend: Das Jahr nach seinem Tod nennt man das erste, das gegenwärtige Jahr (2018) das „43. Jahr nach dem Martyrium des Heiligen Caroman“. Obwohl man die Tat von Caromans Mördern als verdammungswürdig einstuft, sieht man in ihrem Gelingen den Vollzug des Schicksals, welches zwar den göttlichen Werkzeugen selbst zum Verhängnis wurde, aber den letzten großen Stammeskrieg beendete und den Weg für ein neues Reich der Tugend und des Rechts ebnete.