31/12/22 Ardor II. spricht

Aus Trigardon
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Prolog

Herbei! Herbei! Ihr treuen Leute Wenn ihr Augen habt zu sehen, Ohr und Geist um zu verstehen Das was ich hab´ zu sagen heute.

Es spricht ein Mann zu euch, dem dereinst ihr Habt Treu´ und Waffendienst geschuldet, Für den ein jeder gerne hat erduldet Was ein Heerführer von seinen Trigardonen Verlangt und was die Götter lohnen, Denn Tapferkeit und Ehre wohnen hier!

Der Mann, dem ich die Stimme leih´ Stammt aus dem höchsten Adelshaus. Kommt aus der Wohnstatt, kommt heraus! Der Mann, dem Herz und Leib ich weih´ Heißt Gimor mit dem Mutternamen, Herzog mit Titel und Verwandtschaft Die den König Rhack als Ahnen Zu nennen pflegt jeder Gesandtschaft. Ihr kanntet ihn als Vetter des Monarchen Karoman dem Zweiten und als Ritter. Die Brüder Danasons bestimmten im Gewitter Einstimmig ihn zu ihrem Patriarchen. Er spricht zu euch! Sein Ruf erschallt in allen Weiten! Die Rede ist von Ardor anh Rhack dem Zweiten!

Seine Geschichte, die ihr hört, beginnt, Da war noch mancher von euch Kind: Vor bald neun Jahren, auf Norderns stolzem Hügel. Da, wo heut´ Turm und Mauer steh´n Konnt´ damals noch kein Schütze seh´n Was eiteln könnte seiner Pfeile Flügel. Und die Geschichte, die ihr hört, beginnt, Da löst sich Nebel grad´ vorm Wind, Lasst euren Geist ein Schlachtfeld sehen: Grad´ hörte man noch Waffenklirren Grad´ kämpften Männer in den Wirren Und deutlich über Helmen wehen Das Banner Flutlands, Dunkelwalds und auf der ander´n Seite Arbons schönes, blaues Banner und die Hochfürstenstandarte. Es kreuzten gerade noch die Schwerter Karoman der Zweite Und Drebick aus dem Hause Krul, der Flutlands Ordnung wahrte.

Doch plötzlich schweigen still die Waffen. Verraten ist nun Karoman der Zweite und besiegt. Was Flutlands Herr nicht konnte schaffen Jedoch für Arbon noch weit schwerer wiegt: Der Bruder des Erzählers war´s, den seine Mutter Jurek hieß, Der unser´n Hochfürst in die Arme seines Meuchlers stieß!


Szene 1

Ich sah auf Norderns blutgetränktem Felde Den Fürstenschild des Vetters Karoman, Getragen von der Ehrenwache, die in Bälde Würd´ mit seinem Leichnam auf dem Schilde Den Weg zur Grabesstätte geh´n. Voran Dem Trauerzug, der stets gehört zum Schlachtenbilde.

Und alles schien zu sein wie in den Tagen unserer Ahnen: Das Land war aufgewühlt vor Rachepflicht. Arbons Kinder sahen ihr Idol ertränkt von Ischans Fahnen, Doch deren Totenkränze war´n so dicht, Dass zu herrschen ihnen keine Macht mehr blieb. Dann sah ich auf die Waffenträger voller Qual: Die halben Leiber erinnerten an jeden Hieb. Ich sah auf beiden Seiten die zerbrochene Moral. Ruine waren Herr und Heerbann Flutlands nach der Schlacht Und besudelt vom Verrat an Herr und Haus mein eigen Bruder. An Krüppeln sollt ich Rache üben? Ich selbst hätt´ mich verlacht! Und strafte ich den Bruder, so schnitt ich in die eig´ne Ader.

Da fragte ich die Götter, was nur aus unsern Landen werden solle. Nur ihren Rat zu hören, das konnt in Ungedult ich nicht erwarten, Stattdessen hörte ich auf eine schöne Weise, eine unheilvolle Gesäuselt von zwei Zauberern in ihren schlauen Dichtungsarten. Der eine sprach: dein Vetter Karoman war böse! Der andere sprach: der Hochfürst war im Recht. Doch sieh, beendet ist das Schlachtgetöse, So sprachen plötzlich beide, wir alle sind geschwächt. Wir Zaubermeister aber, wir reichen uns die Hand. Versteh, oh Kriegsherr: Versöhnung braucht das Land. Da schenkte ich Ohren und Hände den beiden alten Hexern, Oh Richtergott, vergieb die kranke Schwäche dieser Stund! Nie mehr will ich Rat erhören aus einem falschen Lügenmund! Die beiden Alten hauchten weiter: alles soll sich bessern. Doch niemals kannst den Frieden du erreichen, Verlangst noch heute du nach Recht und nach Gesetz. Lass lieber eine gute Weile Zeit verstreichen, Ich geb´ es zu, ich glaubte dem verlogenen Geschwätz!

Der Handel, den sie boten war, mein Erbrecht zu verschieben Und auszuwählen zwischen ihnen beiden nach Belieben Den Regenten meiner Wahl. Kaum kann den Ahnen ich´s erklären! Teurer war kein Frieden je in diesen Sphären! Kaum kalt im Thronsaal Die Asche meines Vetters stand, Da vergab ich all den Mördern im Land.


Zwischenspiel

Drei Jahre gingen hin und listenreich herrschte der Kanzler. Der war der Hexer meiner Wahl, der andere sein steter Begleiter. Er selbst nannte sich Phosphoros, Sonnensohn und Richter. Der andere hieß Philonius, Graf Dunkelwald, der Dichter.

Bevor das erste Jahr verstrichen, Erklang viel Jubel im Reich: Es gibt nun den Ausgleich Für die Schmach von Altberg. All dies ist des Kanzlers Werk: Die Geißel des Hochfürsten ist verblichen. Die Grafschaft Altberg gehörte nun – wem? Gewiss gehörte sie nicht dem, Der durch sein Blut und Waffenarm Dem Tod im montrowischen Felde entkam. Der Kanzler, dem dieses Werk gelang, Schenkt Philonius das Land ohne Zwang. So machte er geschwind aus einem Grafen zwei. Das Flutenland dagegen war ihnen einerlei.

Bevor das zweite Jahr verstrichen, Rief ich bald nach Gerechtigkeit. Die beiden Hexer aber riefen: Sieh! Der Krieg ist nicht mehr weit. Es eilt der König der Normonter gerüstet den Nachbarn entgegen. Unsere Freunde begegnen ihm auf seinen Wegen, Der Fürst von Yddland mit seinen Vasallen Will sich mit ihm messen. Folg´ ihm schnell nach mit Trigardons Banner, Denn wenn die Heere aufeinander prallen, Kannst Ehre dort erwerben. So focht ich für Ehre im fremden Land Und kehrte zum Winter zurück. Doch kehrte ich heim mit leerer Hand Und ohne Fürstenglück.

Bevor das dritte Jahr verstrichen, Verlangte ich ein Urteil. Die beiden Hexer aber riefen: Reite Ardor, reite schnell, Es ruft nach dir die Ritterpflicht. Erhebe Schwert und Wappenschild Und streit´ für´s Sonnenlicht. Der König von Taëria Wird arg bedrängt in Harnac. Du musst ihm fest zur Seite steh´n, Sonst wirft der Feind ihn nieder. So sprach ich: wohl! Ich werde gehen Und kehre Heim als Sieger! Doch wenn dann ihr wieder ruft, Ich müsse in die Fremde gehen, Wehe! Dann nehm ich Thron und Krone Mit Gewalt und das Gesetz in meine Hände!


Szene 2

Es kam der Abend vor der Schlacht, Die Krieger in Harnac, sie sangen. Da sprach mein Bruder voll Scham und Bangen, In einsamer Stunde der Wacht:

Mein Bruder Gimor mein! Ich fühle es naht die Wende. Ob´s morgen ein Sieg, ob es wird Niederlage sein – Mein Leben geht zuende. Dir aber will ich sagen, was ich nicht konnte zuvor. Ich will dir von Riadugora erzählen, ich stand bereits vor Ihrem Tor. Ich will dir erzählen von meinem Verrat, vom Aufstand gegen den Vetter. Von Mord und Hexenkunst, und von Verbrechen gegen die Götter.

Da sprach ich voll Zorn und Verlangen, In einsamer Stunde der Wacht. Die Krieger in Harnac, sie sangen, Es war der Abend vor der Schlacht. Es war nicht ich, der ihn betrog Und der, wer unser´n Hochfürst stürzte, War nicht Arbons Herr. Du hast von mir nichts zu gewinnen, Mein Bruder bist du nicht mehr!

Und Jurek weinte Tränen bitter Und zitternd seine Stimme klang. Ich dacht´ bei mir, so weint kein Ritter Doch wurde durch sein Wort mir bang: Es war nicht ich, der ihn betrog Und der, wer unser´n Hochfürst stürzte, War nicht Flutlands Herr. Beide waren wir von Sinnen Und unser Leben gehörte uns nicht mehr.

Wie kann es sein, rief ich ihn an, Dass du mir dreist verleugnest Da jeder im Reich sehen kann, Wie du die Ehre beugtest. Und dass du Flutlands Herren auch Willst freisprechen von Schuld Der mir mit Feuer, Schwert und Rauch Entgegenritt voll Ungedult.

Dies, Bruder, sagte Jurek nun, Will ich dir nicht bestreiten, Doch konnten wir nicht anders tun, Lass dir die Augen weiten: Wir waren Opfer der Messer im Dunkeln Und starben beide vor unserer Zeit. Über die Mörder brauchst du nicht munkeln, Des Grafen Dunkelwald Arm, er reicht weit! Nach unser´m Tode verwehrt uns Die Göttin den Eintritt in Ihr Reich. Denn einer hext uns die Seelen zurück In ihre Leiber, die, zerstört und totenbleich, In Krämpfen sich wanden und nicht verstanden Wie Lust, wie Speis, wie Trank, wie alles Glück Mit Schmerz sich verbanden und gleichsam verschwanden.

Mein Bruder Jurek mein, Fürchte, wenn ich dich richte! So wäschst du weder dich noch Drebick rein – Ihr erscheint in viel dunklerem Lichte! Doch unbeirrt in einsamer Wacht In Harnac am Abend vor der Schlacht Fuhr Jurek fort mit seiner Geschichte:

Die Schmerzen, sie gehen vorüber, Ich reich´ einen Trank euch herüber, Der labt euch und wischt die Kälte fort, Der ist wie die Tinte vom Zauberwort Mit dem ich euch binde damit keine Winde Euch bringen zum Unsichtbaren Ort. Der Mann, der dies sprach, ist krank vom Wahn, Und er wirkte den schrecklichen Zauberbann, Er ließ uns trinken vom geköpften Hahn, Er ließ uns bringen den Todeskuss: Er ist der Graf Philonius! Mein Bruder Gimor mein! Ich habe dich niemals belogen. Doch hast du es jemals erwogen, Dass Trigardons Stämme und Adel Fielen auf einen Trick herein? Stets dachte Flutland, dass Drebick, ihr Häuptling, Bewirkt hätt´, dass Rhacks Krone Feuer fing. Und die Arbonier stets voller Tadel Sprachen mich schuldig und nannten Mich Mörder des Verwandten. Doch Siegerpreis und Mörderlohn Bekamen nicht Drebick und ich Denn Preise holen Herren sich, Die Sklaven ernten Hohn.

Sprichst du die Wahrheit? War ich blind? So fragte ich Jurek verwundert, Dann nenn mir, so du kannst geschwind Wo noch im Reich Verschwörer sind. Mich dünkt, es wär´n bald hundert, Denn solch Verrat, wie Du beschreibst, braucht mehr als einen Mann. Wer hat gewußt, gewollt, gebilligt, wer war´s, der diesen Plan ersann? Und was hat der Kanzler dazu getan?

Wer hat denn an Macht und Einfluss gewonnen? Wer nahm die Herrschaft schnell und besonnen? Wer war vorher nichts und hat nun alles? So fragte mein Bruder zurück voller Haß Auf den, der ihm zu helfen vergaß. Der, dessen Zauberkraft keinesfalles Konnte entgehen, was für ein Fluch Verwehrte mir das Leichentuch! Ich sage dir, Phosphoros wußte bescheid: Ich klagte ihm bereits mein Leid Und damals war er schon im Wissen, Doch rückt´ er nur zurecht das Kissen, Das nach unser Vetter Tod Der Kanzlerstuhl ihm bot. Die beiden Hexer haben Schüler, Diener und Vasallen Von deren Mündern allerorts der beiden Lügen wiederhallen. Manch einer davon ist sehr eng Verstrickt ins Lügennetz und andere Sagen sich: das ich nur häng´ Mein Fähnlein nach dem Wind und wandere Entlang dem Hurenweg der selbsternannten Herrn, die sich vom Recht abwandten. Doch Schuld hat jeder, der gewann Und Teil hatte am finst´ren Plan!

Mein Bruder Jurek mein, Ich möchte dir nicht glauben, Denn solche Wahrheit würd´ mir rauben Alle Ruh – mein Herz würd´ Stein! Ich bitte dich, ich fleh´ dich an Zu deinen Worten gieb ein Pfand Das macht, dass ich dir glauben kann. Bedenk´: dein Wort droht unser´m Land Mit unbarmherz´gem Waffenbrand.

Den Pfand, mein Bruder, geb´ ich dir Sieh: morgen werd´ ich sterben. Mein Lebtag lang misstraut man mir, Um dich allein wollt ich stets werben. Ich lobte deinen Namen und deckte dir den Rücken, Doch nach dem Tod verrat´ ich dich, und nicht aus freien Stücken. Ich spreche Schande auf dein Haupt, vor vielen edlen Zeugen, Die allesamt vor meinem Maul die Häupter werden beugen. Erkennen wirst in meiner Lügen Widerstreit Den Pfand, den ich dir Schulde und die Wahrheit: Es war nicht ich, der ihn betrog Und der, wer unser´n Hochfürst stürzte, War nicht Flutlands Herr. Beide waren wir von Sinnen Und unser Leben gehörte uns nicht mehr.


Zwischenspiel

Ich lag auf Harnacs blutgetränktem Grunde Unter gebroch´nem Schild und Waffenarm. Um mich lagen tot all jene, die im Bruderbunde Zur Seit´ mir stritten bis zur Niederlage Und unser´m Feind entgegen flossen warm Als Kriegerblut die Tränen von dem Gott der Waage.

Und als ich gerade mich zum Sterben wenden wollte, Da beugt sich über mich ein Zaubermeister, den Der Kanzler mir zur Seit´ gestellt, der sollte Schützen mich und heilen, helfen, wie ich dachte. Mitnichten! Stattdessen konnt´ ich deutlich seh´n Wie kalt und falsch er blickte, zauberte und lachte.

So wurde ich in Stein gebannt, für drei weitere Jahre. Es gibt kein Wort für diese Zeit der Einsamkeit, Ja nicht mal Zeit in eiseskalter Dunkelheit. Ich war Stein, für euch vergingen drei Jahre.

Bevor das erste Jahr verstrichen, Erklang im Reich ein Schrei: Die Diener des Bösen eilen herbei! Die Menschentiere sind wieder zurück! Doch war bei der Bestienjagt das Glück Mit denen, die den Jägern entwichen.

Bevor das zweite Jahr verstrichen, Erklang der zweite Schrei im Land: Die Yddländer spucken auf´s Kanzlergewand! Sie wollten keinem Manne dienen, Den sie niemals lernten lieben, Nachdem ihr alter Fürst verblichen.

Bevor das dritte Jahr verstrichen, Der dritte Schrei im Reich erklang, Den Stammesleuten wurde bang, Denn aus des Kanzlers Zauberhut Entsprang ein Graf ganz frohgemut, Der hätt mit Alchemistengold Bezahlen können jeden Sold Und hätt´ auch jeden Sold beglichen.

Doch war ich selbst in Stein gebannt, für drei weitere Jahre. Es gibt kein Wort für diese Zeit der Einsamkeit, Ja nicht mal Zeit in eiseskalter Dunkelheit. Ich war Stein, für euch vergingen drei Jahre.


Szene 3

Kein Unrecht kann beständig weilen, Wenn fromme Trigardonen leben, Die ihren Lieben Trauerkränze weben. So kam es, dass mit eurem Klagelied Um mich, eurem Begehr´ nach Abschied Mein Leiden schließlich ließ sich heilen. Denn hieltet ihr mich auch für tot, So war doch´s Hexerpack zu feige, Zu wirken, dass ich noch entsteige Ins Totenreich, um ihre Lüge wahr zu machen. So konnt ich nicht bestattet werden und sie brachen Mit dem Brauch. In Eurer Not Der Ruf nach nach Abschied Kraft gewann, So dass gelöst wurde mein Bann.

Für euch war´s Zeit, die bald verstrich, Für mich warn´s unzählbare Stunden Nach denen brüllten wie ein Freudenfeuer endlich Die roten Schmerzen meiner Wunden. Und als ich langsam anhob meiner schweren Lider Saum, Da blickte ich in´s Mördermesser. Doch war ich nicht verlassen zu dieser Stund´ in diesem Raum Denn es lag ein Mann, um vieles blässer Als jedes lebend Ding an meiner Seite: Mein Bruder, der mein steinern´ Schicksal teilte. Kein Atem und kein Herzschlag blieb ihm noch. Doch rührt er sich in unheiliger Weise Und mich erkennend flüstert er noch leise: Ein letzter Dienst für Dich, dann fall ich unter´s Joch!

In Flammen, Rauch und Donnerschlag Verging nun mancher Zauberlehrling Und Jurek reicht mir schnell den Ring Der Wunderkraft besitzt zu heilen. Ich konnt´ nicht danken, nicht verweilen. So war mein Lebzeit hellster Tag.

Ihr wisst, was seit dem ist geschehen. Es ist nun wieder drei Jahr´ her. Beim Kanzlerhof herrscht Klag´ und Wehen Und ich bereite mich zur Wehr. Auch hörtet ihr im ganzen Land Wie Jurek löste ein sein Pfand: So wie er mir dereinst versprochen, Hat mir sein Geist die Treu´ gebrochen. Doch war´s nicht er, der mich betrog Und die, die unsern Thron beschmutzten, Sind die Hexer, die euch stets benutzten Von denen jeder all die Jahre log.