Unterschicht Spielen

Aus Trigardon
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Wozu Unterschicht?

Kaum eine Gesellschaft in der Weltgeschichte hat keine Unterschicht herausgebildet. Selbst bürgerliche Gesellschaften mit egalitären Idealen kennen oder kannten eine Gruppe, die fast gänzlich auf die alltäglichen Notwendigkeiten des Überlebens reduziert, von politischer Mitbestimmung ausgeschlossen und in der offiziellen Kultur - wenn überhaupt – unterrepräsentiert waren oder sind. Ob nun Sklaven, Frauen und Besitzlose antiker Städterepubliken, „illegale“ Flüchtlinge in modernen, westlichen Demokratien oder auch die (persönlich freien und ausgezeichnet versorgten!) Heerscharen von Pyramidenbauern im alten Ägypten: Wer in vergangenen oder gegenwärtigen Gesellschaften nach einer Unterschicht sucht, wird aller Wahrscheinlichkeit nach fündig werden. Ergo: Die Existenz einer Unterschicht gehört zu einem glaubwürdigen Larp-Hintergrund dazu.

Nun ist es natürlich möglich, Gruppen und einfacher noch Einzelcharaktere zu bespielen, denen man die Existenz der Unterschicht nicht anmerkt. Den täglichen Arbeitsprozessen entrückte Hochadelige bei Hofe, die vom Schicksal zusammengewürfelte Abenteuergruppe, der aus Gleichgestellten bestehende Ritterorden. All dies sind Beispiele für spaßversprechende und glaubwürdige Spielkonzepte, denen man die Existenz einer Unterschicht nicht anmerken muss. Um so zu spielen, sollten allerdings Heimatland und Alltag dieser Charaktere möglichst ein reiner Gesprächsgegenstand bleiben und nicht zu viel Raum im eigentlichen Spiel einnehmen. Für das trigardonische Spiel ist es aber viel schöner, wenn man den Landeshintergrund bemerkt und er – im Idealfall auch für Charaktere von Außen – Gegenstand der Handlung ist. Schließlich wollen wir ein Land bespielen.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie repräsentativ eigentlich das Spielgeschehen auf einzelnen Veranstaltungen für unseren Hintergrund ist. Sind wirklich 95% aller existierenden Charaktere in Trigardon die meiste Zeit mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigt? Wenn ein Jahr lang nur Hofcons stattfinden, ist im trigardonischen Alltag währenddessen nichts passiert, was einer Erwähnung wert wäre? Wenn der einzige bespielte Unadelige einer Gruppe geadelt wird, gibt es dann nur noch Adelige im Land? Sicher nicht. Es kann durchaus mal vorkommen, dass man bei Hofe die Sorgen und Probleme der Erntezeit ignoriert. Trotzdem wird es ein Interesse daran geben. Und selbst wenn 50 bespielte Bauern auf einer Con zu Tode kommen, wird in Trigardon keine Hungersnot ausbrechen. Genau genommen ist ein Landeshintergrund selbst dann nicht repräsentativ darstellbar, wenn er nur aus einem einzigen Bauernhof besteht (es fehlen die Tiere) oder nur einen Clan jägerischer Nomaden umfasst (wo sind ihre Kinder, wo sind ihre Alten?). Auch ist es für uns als Rollenspieler sicher nicht das Spannendste, den täglichen Broterwerb einer halbnomadischen Gesellschaft in den Mittelpunkt unseres Spiels zu stellen. Es kann also gar nicht unser Ziel sein, den Hintergrund repräsentativ darzustellen. Vielmehr wollen wir ihn mit unserem Spiel repräsentieren. Die Darstellung unserer Unterschicht eignet sich gut dafür, wenn bei der Erstellung der Charakterkonzepte einige Prämissen beachtet werden:

  • Charaktere der Unterschicht haben keinen großen Spielraum, um persönlichen Neigungen nachzugehen. Ihr Lebensstil ist der Lebensstil der breiten Masse, also sollte ihr Spiel möglichst den Normalfall repräsentieren. Extravaganzen im Hintergrund verwässern das Konzept eines Unterschichtscharakters, statt es zu unterstützen. Reichtum zerstört das Konzept eines Unterschichtscharakters.
  • Das kulturelle Interesse der Unterschicht bezieht sich darauf, ein wenig Hoffnung, Glück und Identität in einem grauen Alltag zu erhalten. Religiöse Riten werden auch nach Unterhaltungswert bemessen. Viele, viele Dinge, die zum Fantasy-Larpalltag gehören, können als besondere Wunderdinge Furcht oder besser noch Begeisterung auslösen.
  • Die öffentliche Sicherheit ist (gemessen an modernen Standarts) gering. Dolch und Knüppel sind das Pfefferspray Trigardons, Schutz durch die Gruppe zu bekommen, ist allein schon ein Grund, sich einer Gruppe anzuschließen. Kämpferische Großtaten überlässt man den Spinnern der Oberschicht – die sind ihr Leben lang dazu ausgebildet worden.
  • Statt selber auf alle psychischen oder spirituellen Fragen eine Antwort zu suchen, nimmt man den Service der Geistlichen und anderweitig Gelehrten oder Weiseren in Anspruch. Das entbindet diese aber nicht von der Pflicht, überzeugend zu sein. Geringe Bildung bedeutet noch lange keine Dummheit. Wenn ein Vorleser vom gleichen Papier etwas völlig anderes vor liest, als ein anderer Vorleser, wird das durchaus bemerkt.


Wer ist Unterschicht?

Aber wer gehört in Trigardon dieser Unterschicht eigentlich an? Welche Kriterien definieren den trigardonischen Normalfall? Da gibt es Mehrere:

  • Geringe Bildung. Einfache Rechenaufgaben lösen und gerade so und mit Mühe Lesen zu können, ist das Maximum an moderner Schulbildung, dass der Charakter haben sollte. Besser, er kann gar nicht lesen. Aber flüssig zu lesen und auch noch zu schreiben, offenbart, dass da jemand viel eigene und fremde Zeit und Energie aufwenden musste, um es zu lernen. Die meisten Menschen in Landwirtschaft und Handwerk sind auch in Kindertagen zu beschäftigt dazu. Wer lesen und schreiben kann, war über einen langen Zeitraum hinweg von gewöhnlicher Arbeit befreit. Das heißt aber noch lange nicht, dass auch die ganze Oberschicht lesen und schreiben kann. Die Leute, die das können, sollten hemmungslos als Vorleser in Anspruch genommen werden.
  • Mittelmäßige oder „keine“ Ahnen. Jeder Mensch, der nicht völliges Unglück bei seinen Taten hat, hat nach trigardonischer Vorstellung Hilfe von einigermaßen akzeptablen und wohlmeinenden Ahnen. Das müssen aber nicht die eigenen sein. Leibeigene bitten die Ahnen ihrer Herrschaft um Hilfe, da sie selber keine guten oder wohlmeinenden Ahnen haben. Personen der Unterschicht glauben, dass sie von den besseren Ahnen ihrer Sippenhäupter und Adeligen profitieren können, wenn sie fleißig und/oder gehorsam sind oder sich anderweitig tugendhaft verhalten. Wer gar als Leibeigener geboren wurde, hat ständig Angst vor Unglück, weil er ohne jeglichen Anspruch auf Ahnenhilfe lebt.
  • Besondere Mühe, Göttern zu gefallen. Die Vorstellung, dass höhere Wesen besser Gestellte mehr lieb haben, führt zu einem gesteigerten Interesse der Unterschicht, mit allen Mitteln doch noch das Glück Göttlicher Gunst zu erreichen. Die wichtigsten Ratgeber dabei sind die Priester. Aber alle Arten von Zaubersprüchlein, Geisteropfern oder Glücksbringern sind eine zusätzliche Hilfe. Charaktere der Unterschicht sind nicht unbedingt abergläubischer, als Charaktere der Oberschicht. Für Bauern ist es nur ein geringeres Übel, auf eine Scharlatanerie herein zu fallen, als die Chance auf zusätzliches Glück verstreichen zu lassen. Ein Adeliger in der gleichen Situation wird vielleicht ausgelacht. (Ein Vergleich, der diese Logik deutlicher macht: In der Realität soll es recht wenige Millionäre geben, die Lotto spielen ...)
  • Geringe militärische und ökonomische Potenz. In der Unterschicht ist das Ideal der tapferen Stammeskrieger häufig reine Fiktion. Freie unterliegen zwar der Wehrpflicht und haben eine militärische Grundausbildung durchlaufen, sind aber froh, wenn es bei regelmäßigen Heermanövern bleibt. Sie besitzen an Waffen, was das Gesetz ihnen vorschreibt (Helm, Dolch, Beil o. Ä., plus Bogen und Pfeile oder Speer und Schild), verschwenden ihr geringes Einkommen aber nicht für zusätzliche Rüstung. Der offen getragene Dolch als Statussymbol hebt Freie von Leibeigenen ab. Darüber hinaus im Alltag Waffen zu tragen, ist nicht verboten, sondern einfach nur Unsinn.
  • Zuordnung zu einer Herrschaftsperson. Charaktere der Unterschicht sind einer oder mehreren Herrschaftspersonen zugeordnet. Leibeigene haben Großbauern oder Adelige als Vormund. Freie haben ihr Sippenoberhaupt und ihre Grundherrschaft. Dass man von deren Wohl oder Wehe abhängig ist, ist keine reine Glaubenssache. Schlechtes Management kann dazu führen, dass ein harter Winter zu Hunger- oder Kältetoten führt. Gutes Management lässt die Gemeinschaft auch eine Missernte überstehen. Politische Fehlentscheidungen können die Mordbrenner des Nachbarn auf den Plan rufen. Ein Charakter der Unterschicht muss wohl oder Übel auf das Glück seiner Herrschaftspersonen vertrauen. Wenn die Grundherrschaft mit Kinderlosigkeit, ärmlichem Auftreten oder einem Ruf als Schwächling Anlass zur Sorge gibt, lässt man sie das spüren.


Wie spiele ich Unterschicht?

Nach diesen Kriterien gehört kaum einer der bespielten Charaktere der Unterschicht an. Teilweise leidet das Konzept von Unterschichtcharakteren unter dem Vorurteil, langweilig zu sein. Wie lässt sich also Spiel gestalten, dass eine Figur des tristen Alltags trotzdem spannend und vielseitig verwirklicht? Welche Spielmöglichkeiten bietet es, jemanden, der nichts Besonderes sein soll, darzustellen? Wie stellen wir überhaupt sinnvoll dar, dass jemand zur Unterschicht gehört?

Gruppenspiel und Einzelspiel

  • Das Spiel von Unterschichtscharakteren muss kein Gruppenspiel sein. Ein einzelner trigardonischer Handwerker kann sich mühelos den verschiedensten üblichen Heldengruppen anschließen, ob sie nun aus Trigardon kommen, oder nicht. Die Erklärung: „Meine Sippe hat mich zu der Werkstatt von Meister sowieso im fernen Lande sowieso geschickt, damit ich was lerne. Aber der Weg ist weit und gefährlich, kann ich ein Stück mit euch reisen? Ich kann auch was und bin nicht nur ein zusätzliches, hungriges Maul“, wird von den meisten Larpgruppen sofort akzeptiert werden. Niemand hat es leichter, als der Normalo, mit den verschiedensten Charakteren ins Gespräch zu kommen. Jeder Held liebt den Normalo, der ihn heldenhafter erscheinen lässt. Für eine Gruppe Normalos gilt dies erst recht. In Wirklichkeit spielt nämlich die Mehrheit aller LarperInnen begeistert große Helden, bedauert aber offen oder insgeheim, dass die Mehrheit aller LarperInnen große Helden spielt.
  • Die Möglichkeit, die Konzepte der anderen zu unterstützen, sind als Charakter der Unterschicht unglaublich vielfältig. Welche Freude für den fetten Ork, wenn wirklich mal jemand entsetzt vor ihm davonläuft! Wie schön für den Krieger, endlich wirklich jemanden beschützen zu können! Und auch der große Zauberer ist vielleicht mal froh, wenn er einfach nur einem Normalo die Zukunft aus der Hand lesen soll, anstatt den fünfzigsten Dämonen seiner Karriere zu bannen.
  • Gleichzeitig kann ein Charakter der Unterschicht jederzeit und in jedem Regelsystem eine besondere Fertigkeit einsetzen: Die Unsichtbarkeit des Statisten. Weil die Spielwelt voller Selbstdarsteller ist, die eifersüchtig um Aufmerksamkeit kämpfen, können Statisten sich oft unauffällig aus Spielsituationen entfernen, in denen andere Charaktere gebunden wären. Oft genug funktioniert auch das Umgekehrte: Der Statist kann sich in Situationen einschleichen, in denen sein Charakter eigentlich nichts zu suchen hätte. So kann man manchmal auch zum Held werden: zum Spion. Oder der Statist kann sich in einem Kampf tot stellen, um danach den nieder geschlagenen Gefährten das Leben zu retten. Die Unsichtbarkeit des Statisten ist natürlich nur in dem Maße vorhanden, in dem es weitere Statisten oder wenigstens ein halbwegs heterogenes Spielumfeld gibt. Wenn sonst nur Ritter und Zauberer da sind, fällt der Normalo durch sein normal-sein auf. Ein solches Spielumfeld ist aber entgegen landläufiger Vorurteile inzwischen auch auf sogenannten „Standart-Abenteuercons“ eher die Ausnahme.
  • Das Unterschichtskonzept ist auf den meisten Veranstaltungen an Flexibilität nicht zu überbieten. Die Figur muss mit niemandem zu tun haben, kommt mit den Meisten aber leicht ins Gespräch. Die Figur kann sich im Weltrettungsplot engagieren (wenngleich nur in zweiter Reihe), aber auch jederzeit entscheiden, auszusteigen, weil es ihr jetzt „zu hoch“ wurde. Es gibt nur wenige Conkonzepte (z. B. ein Teil der Hofhaltungen und Konzeptcons á la „Kloster“ oder „Akademie“), auf der ein Unterschichtscharakter fehl am Platze wirkt. Niemand kann so viele andere Konzepte durch sein Spiel unterstützen, wie ein Unterschichtscharakter.

Hintergrundwissen

  • Auch Charaktere der Unterschicht kennen ihren Hintergrund! Natürlich muss eine einfache Magd sich nicht mit Gesetzen und Adelstraditionen auskennen und sich auch nicht in ihrem politischen System zurechtfinden. Sie muss nur wissen, dass dafür ihre Herrschaft und/oder ihr Sippenhaupt verantwortlich ist, wie diese Personen heißen und welches Familien- und Herrschaftsmodell grundsätzlich in Trigardon existiert. Geistliche müssen mit den Feinheiten der Religion vertraut sein, der Magd reichen Grundkenntnisse und die Bereitschaft, Aberglauben zu improvisieren, der zum Gesamtmodell trigardonischer Glaubensvorstellungen passt. Ein paar wenige Namen von Prominenten zu kennen (Landesherrscher, eigene Herrschaft, teilweise deren Verwandtschaft, falls bedeutend), ein bisschen was über Land und Leute erzählen zu können und zu wissen, welche Epochen der trigardonischen Geschichte sie seit ihrer Geburt erlebt hat, reicht aus. Der Rest an Hintergrund kann sich dann allein auf den eigenen Charakter beziehen.

Sinnvolle Selbstbeschränkung

Jedes Gruppenspiel erfordert eine sinnvolle Selbstbeschränkung der Einzelnen. Es gehört grundsätzlich zu jeder Gruppenaktivität, den anderen ihren Freiraum zu lassen. Wenn im Larp etwas gemeinsam dargestellt wird, sollten diese Freiräume und ihre Grenzen vorher so gut wie möglich abgesprochen werden. Gerade das Zusammenspiel von hierarchisch unterschiedlichen Rollen braucht solche Absprachen, weil sonst die Stellung von Autoritäten entweder ignoriert wird oder zu überzogenen Einschränkungen bei den SpielerInnen der Untergebenen führt. Im Allgemeinen gehört diese Überlegung in die Spielphilosophie. Wer aber Charaktere aus der Unterschicht darstellen will, sollte sich um die eigene, sinnvolle Selbstbeschränkung ein paar spezielle Gedanken machen.

    • An erster Stelle steht der Respekt. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass MitspielerInnen Respekt verdienen. Aber nicht nur, um OT ein sozial verträgliches Miteinander zu gewährleisten, sondern auch im Spiel eine glaubwürdige Gesellschaft mit sozialem Vertrag darzustellen, gehört Respekt vor anderen Rollen grundsätzlich dazu. Ein Bauer hat ein Anrecht auf den Respekt eines Ritters, auch wenn er in der Hierarchie unter ihm stehen mag. Mit dem Spaß im ach so vielseitigen Unterschichtskonzept ist es schnell vorbei, wenn man allseits nur wie Dreck behandelt wird, egal ob es sich nur um gespielte Herablassung handelt. Im Notfall sollte man das den SpielerInnen von Höhergestellten OT klar machen. Umgekehrt ist mit dem Konzept der Edelfrau schnell Schluss, wenn ein Pöbelhaufen ihre höhere Stellung nicht ernst nimmt – und es gibt so gut wie keine Möglichkeit für die Spielerin der Edelfrau, darauf sinnvoll im Spiel zu reagieren.
    • Sinnvolle Selbstbeschränkung bedeutet, das Konzept der anderen mit dem eigenen Spiel zu unterstützen. Das Konzept der Zauberkundigen verdient den Aberglauben der Anderen („Hüte dich! Sie könnte Dich in eine Kröte verwandeln“ …). Das Konzept der Geistlichen verdient, dass die anderen Seelsorge brauchen („Erwürdiger Vater, ich hatte einen beunruhigenden Traum, der mich nicht mehr los lässt“). Das Konzept von Ritter, Kriegsherr und Cirkater verdient, dass die Anderen sie bejubeln oder ihren Schutz brauchen. Das Konzept der Dame (einschließlich der Ystyarson) verdient, dass die anderen ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Führung folgen („Frau Sophie Vivianes kluger Haushaltung haben wir es zu verdanken, dass wir diesen harten Winter überstanden haben. Und stell dir vor, sie hat versprochen, sich nach einer geeigneten Braut für mich umzusehen!“).
    • Sinnvolle Selbstbeschränkung ist die einzige Überlebensstrategie für ein Konzept der Unterschicht. Punktesysteme sehen immer einen Aufstieg der Charaktere zu mehr Macht und Bedeutung vor. Es gibt also kein Punktesystem, dass das Konzept eines Unterschichtscharakters sinnvoll unterstützen kann. Die Spielwelt, die von mächtigen und einflussreichen Helden bevölkert wird, bietet am laufenden Band Aufstiegschancen für Alle und Jeden. Hier können Charaktere der Unterschicht schnell an die Grenzen des konsequent Logischen geraten. Warum sollte der Diener IT nicht das angebotene Lehen nehmen? Warum sollte der Bauer nicht den Goldschatz einstecken? Warum sollte die Kräuterhexe nicht den angebotenen Job als Zauberlehrling annehmen? Warum sollte der Stammeskrieger nicht Knappe bei dem Ritter dort werden? Sinnvolle Selbstbeschränkung bedeutet hier, sich kreative Totschlagsargumente (im Zweifel gibt’s ein nicht zu ignorierendes böses Omen) auszudenken, warum die angebotene Aufstiegschance eben leider nicht wahrgenommen werden kann. Denn der märchenhafte Charakteraufstieg wird nicht nur das Unterschichtskonzept in ein (oft fragwürdiges) Oberschichtskonzept verwandeln. Der märchenhafte Charakteraufstieg verwässert auch das Gesamtbild der trigardonischen Ständegesellschaft, so IT-logisch er auch sein mag. Daher sollte man sich vor der Charaktererstellung Gedanken zu Aufstiegsmöglichkeiten – und den Grenzen derselben – machen.
    • Sinnvolle Selbstbeschränkung bedeutet auch, dass eine Figur der Unterschicht nur in sehr begrenztem Rahmen Held sein kann. Der mit allen Wassern gewaschene Schelm, der auch aus dem verstricktesten Problem einen Ausweg findet, der Bauer, der den Teufel (oder den Grundherrn) übers Ohr haut, Alfred, der das Doppelleben von Bruce Wayne ermöglicht, sind mögliche Heldentaten. Die feurige Rede vor der Schlacht, das Lösen des verzwickten Rätsels, das Verführen des Oberbösewichts, das Retten der Jungfrau und das Erschlagen des Monsters wird Anderen überlassen.