Politische Symbolsprache

Aus Trigardon
Version vom 15. Juni 2017, 23:07 Uhr von RiaRetterspitz (Diskussion | Beiträge)

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In diesem Artikel geht es nicht um harmlose Etikette. Hier präsentieren wir Umgangsformen und politische Symbolhandlungen, die sich bereits im Spiel befinden, denen man unterstellen kann, arbonisches Allgemeinwissen zu sein, sich in diesem Sinne glaubwürdig anfühlen und daher die Immersion unterstützen können. Die zum Einsatz kommenden Gesten werden sich im künftigen Rollenspiel weiterentwickeln. Das hier ist der ungefähre Stand von Anfang 2017.

Auf welche Rahmenbedingungen verweist unsere politische Symbolsprache?

Durch die Repräsentation und Selbstinszenierung von Adligen werden Informationen über die Landkarte der Macht vermittelt. Die sittsamen Umgangsformen sind nicht einfach nur Benimmregeln sondern Bestandteil von Vertragsformen einer Gesellschaft, in der Geschäfte vorwiegend mündlich geschlossen werden. Die Informationen über Rangfolge, Neigung und Abneigung zwischen Mächtigen wird mit Hilfe dieser Gesten manchmal genauer abgebildet, als mit Titulatur und Gesetzbuch. Die Bedeutung von Handlungen wie Aufwartung, Kniefall, Fußfall, Bruderkuss, Segensgeste, Verbeugung, dem Überreichen von Geschenken, etc. ist genau die gleiche, wie beim symbolischen "Kriegsbeil ausgraben" und "Friedenspfeife rauchen". Alle Teilnehmer beim rituellen Vollzug eines Rechtsaktes werden von dieser Symbolsprache zu Zeugen gemacht. Durch Teilnahme bestätigt man die Gültigkeit des jeweiligen Vorganges ganz ohne Urkunde und Siegel.

Politische Führungspersönlichkeiten müssen Vorgänge öffentlichen Interesses regelmäßig "in Szene setzen", um sie überhaupt öffentlich zu machen. Die Bühne der Inszenierung liefert dabei in der Regel ein Adelshaushalt. Öffentliche Ereignisse werden also auch vorwiegend mit den Begriffen des Haushaltes erklärt. Die Schlichtung einer Fehde bekommt Analogien zu einem Familiendrama mit gutem Ausgang, die Grundherrin wird als Mutter der Untertanen dargestellt, der Burgenbau als Renovierung des gemeinsamen Hauses kommuniziert und so weiter. Dabei geht es nicht darum, den einfach gestrickten Landbewohnern komplexe Vorgänge möglichst einfach zu erklären. Die Elite hat nämlich auch keine andere Vorstellungswelt.

Der Adelshaushalt ist wie jeder andere Haushalt in Trigardon Lebensraum und Arbeitsplatz von Menschen, deren Wirtschaftstätigkeit mit ihren sozialen Beziehungen direkt zusammenfällt. Rollenverteilung und Rangordnung werden in dieser Lebenswelt permanent durch die Alltagserfahrung verinnerlicht. Die funktionale, unmittelbar erfahrene und symbolische Ebene von Machtbeziehungen überlagert sich, so dass die Autorität von Hausherrin und Hausherr als etwas wahrgenommen wird, das in ihrer Natur liegt. Oder genauer: Wer die funktionale und symbolische Rolle des Haushaltsvorstandes einnimmt und im alltäglichen Leben auch so empfunden wird, ist der Haushaltsvorstand, selbst wenn die Eigentumsverhältnisse etwas anderes verfügen.

Daher müssen z. B. Lehnsherren und Sippenoberhäupter diese Alltagserfahrung regelmäßig aufbrechen und sich in den Haushalten ihrer Vasallen und Angehörigen sehen lassen, um symbolisch ihren Vorrang zu demonstrieren. Die Tradition hat eine ganze Reihe allgemein bekannter Gesten und Riten hervorgebracht, um die Beziehungen zwischen Haushaltsvorstand und Patron, Sippenoberhaupt und Sippenmitglied, Hausherr und Gast, etc. anzuzeigen.

Man nimmt diese Symbolsprache sehr ernst, denn mit ihr werden reale Machtverhältnisse ausgedrückt. So kann ein Vasall seinem Lehnsherren nicht einfach die Tür vor der Nase zuschlagen, wenn dessen Besuch gerade ungelegen ist. Eine solche Handlung wäre nämlich quasi identisch mit einer Fehdeerklärung.

Für den Umgang im Umfeld des Hochfürsten gelten keine grundlegend anderen Regeln. Man versucht an der fürstlichen Tafel, beim Gebet, bei Begrüßungs- und Abschiedsgesten, etc. eine familiäre Atmosphäre aufrecht zu erhalten, gleichzeitig aber die Ordnung des Reiches durch die Rangfolge der Anwesenden symbolisch abzubilden, als ob es sich dabei um einen lokalen Lehensverband oder eine sehr, sehr große Sippe handeln würde.

Die politische Struktur von Emendons Reich hat eine Aufteilung in drei Kategorien von Herrschernähe gekommen: Diejenigen, die keine Vasallen, geweihte Priester oder Cirkater sind, sind am "weitesten weg" vom Herrscher, Vasallen, geweihte Priester und Cirkater sind nochmals unterteilt in Jene, die zu den "Großen" (Barone, Äbte und besonders wichtige Amtleute) gehören und Jene, die es nicht tun. Bei allen rituellen Anlässen sind die Großen im wörtlichen Sinne dem Hochfürsten näher, als die anderen Vasallen und diese sind ihm näher als der Rest. Die Großen befinden sich nicht nur räumlich in größter Nähe zum Hochfürsten, sondern vollziehen auch symbolisch Handlungen, die mit persönlicher Nähe zu einem Haushaltsvorstand assoziiert werden: Der Seneschall deckt für den Herrscher ein, der Hüter der Schwelle (= Mundschenk) reicht ihm Speisen und Getränke, der Marschall sattelt sein Pferd, der Dan (falls Arbonier) tritt als sein Leibwächter auf, die Kammerherrin legt ihm den Mantel um, etc., pp.

Es sind selten alle Großen gleichzeitig anwesend, es ist also normal, dass sie sich gegenseitig in ihren rituellen Funktionen vertreten oder sich von anderen Vasallen vertreten lassen. Dies gilt als große Ehre.

Sittsame Anrede

Wir gehen weg von dem allgegenwärtigen "Geihrze". An ausländischen Höfen mag es sinnvoll und stimmig sein, den Hochfürst als "seine Majestät" anreden zu lassen, weil das ein Umfeld ist, wo es von "Hoheiten" nur so wimmelt, bespielte Herrscher aber eine Seltenheit sind. Innerhalb Trigardons werden wir uns aber am bewährten Vorbild des Asterix-Comics orientieren, wo es "heil DIR, Cäsar" heißt und nicht "heil EUCH, Cäsar". Das passt besser zu dem pseudo-familiären Verhältnis, das das Staatsoberhaupt zu seinen Vasallen pflegt und kommt auch nicht so frühneuzeitlich 'rüber.

In welchen Situationen benutzt man also das "ihr"?

• wenn sich persönlich nicht miteinander bekannte Edle untereinander ansprechen,

• wenn ein Freier oder Unfreier einen Edlen anspricht, der nicht zum eigenen Haushalt, nicht zur eigenen Sippe und nicht zur Sippe des Haushaltsvorstands gehört und man ihn nicht gut kennt,

• wenn man sich in einer ganz besonders außergewöhnlich förmlichen Situation befindet, z. B. beim Vasalleneid.

Ansonsten sagen alle "du" zueinander.

Alle reden alle anderen mit dem ersten Vornamen an, die einzige Ausnahme ist der Hochfürst. Vor den ersten Vornamen wird ein dem Rang entsprechender Zusatz gesetzt:

• Unfreie Geistliche werden mit "Bruder" oder "Schwester" angeredet,

• Cirkater werden mit "ehrwürdiger Bruder" oder "ehrwürdige Schwester" angeredet,

• geweihte Priester werden mit "ehrwürdige Mutter" oder "ehrwürdiger Vater" angeredet,

• titulierte Adelige (also keine Pagen, Knappen, Zofen, Reiter, etc.) werden mit "Herr" oder "Frau" angeredet.

Im Alltag werden diese Formen oft weiter verkürzt (z. B. "Vater Martian" oder "Herr" ohne Vorname), in der politischen Öffentlichkeit findet man das unangemessen. Einzig unter Geistlichen ist es üblich, sich bei gleichem Rang schlicht als "Bruder" und "Schwester" anzureden. Doch auch hier ist der Hochfürst wieder eine Ausnahme.

Es gehört zum Allgemeinwissen, dass Barone und Grafen im Ausland mit "Euer Gnaden", Fürsten, die Vasallen eines anderen Fürsten sind, mit "Hoheit" und Fürsten, die keines Sterblichen Vasall sind, mit "Majestät" anzureden sind. In Trigardon verzichtet man darauf.

Stattdessen ist es üblich, dass Vasallen für den jeweils eigenen Patron spezielle Anreden haben, die sinngemäß immer auf die Betonung von "MEIN (lieber, ehrwürdiger, etc.) Herr" hinauslaufen. Die Anrede "Herr"/"Frau" + erster Vorname ist aber (mit Ausnahme des Hochfürsten) stets ausreichend.

Bei ihm kommt es bei der richtigen förmlichen Anrede darauf an, wer man ist.

• Geistliche (egal welchen Ranges) sagen: "ehrwürdigster meiner Brüder (du)"

• Vasallen sagen: "mein hochfürstlicher Herr (du)"

• sonstige Untertanen sagen: "mein hochfürstlicher Herr (ihr)"

• Nicht-Untertanen des Hochfürsten (egal welchen Ranges) benutzen die an ausländischen Höfen übliche Form "euer Majestät (ihr)"

Man kann den Hochfürsten auch mit blumigen Umschreibungen ansprechen, die auf seine Rolle als edelster Nachkomme von Weltvater Natan oder seine Rolle als oberster Richter oder oberster Heerführer anspielen. Doch dabei sollte man stilsicher sein, denn erstens muss das verstanden werden und zweitens liefert die kreative Anrede des Herrschers allen Anwesenden einen Anlass, nach in ihr versteckten Brüskierungen zu suchen.

Liste von Gesten

Verbeugung, Kniefall, Fußfall

Die Verbeugung ist die einfachste Form der förmlichen Respektsbezeugung und kommt zuweilen auch im Alltag zum Einsatz. Man verbeugt sich zur Begrüßung, beim Eintritt in eine schon bestehende Gesprächssituation und in ein paar zusätzlichen Ausnahmefällen, die instinktiv erkannt werden. Diese Ausnahmen zu übersehen ist aber nie brüskierend.

Wann die Respektsbezeugung genau erwartet wird, hängt immer davon ab, als wie rituell die Situation empfunden wird. Es ist unnötig, einen guten Bekannten jedes Mal förmlich zu begrüßen, wenn man beim gleichen Anlass erneut auf ihn trifft. Nicht jede Gesprächssituation erfordert eine Verbeugung, bevor man sich hinzugesellt. Befindet man sich gerade im Vollzug eines Rechtsaktes, wird Förmlichkeit auf jeden Fall erwartet. Weiß man dagegen die Augen von unbeteiligten Zeugen auf sich gerichtet, richtet das Wort an Personen höheren Ranges oder lernt sich gerade erst kennen, sind das hinreichende, aber keine zwingenden Gründe für eine Verbeugung.

Es gehört zum trigardonischen Allgemeinwissen, dass im Ausland manchmal ein fremdes Wort dafür benutzt wird (Référence). Man versteht das in Trigardon, hat allerdings in keinen Grund, selbst ein Barbarenwort für die anständige Verbeugung zu verwenden.

Manche Barbaren sehen im höfischen Kniks einen von Weibern und Edelfrauen einzusetzenden angemessenen Ersatz zur Verbeugung. Es hält sich das hartnäckige Gerücht, dass diese Sitte in Landen erfunden wurde, wo besonders tief ausgeschnittene Stillkleider zur höfischen Mode gehören, weil dort eine anständige Verbeugung dazu führen könnte, dass die Brüste aus dem Kleid fallen. Man kennt den höfischen Knicks in Trigardon, hat dafür Verständnis und kann sich im Ausland daran anpassen. Es besteht zwar keine Veranlassung, diese Sitte daheim zu übernehmen, nimmt aber auch nicht übel, wenn eine unerfahrene Edle nach einer Auslandsreise nicht gleich "umschaltet".

Verbeugungen können alle möglichen elaborierten Formen haben, in Trigardon unterscheidet man aber nur zwei davon:

Die angedeutete Verbeugung, die nicht viel mehr als ein Kopfnicken ist, wird zwischen ungefähr gleichrangigen Reitern und Edlen verwendet. In Flutland wird sie mit dem gegenseitigen Ergreifen des rechten Unterarms und dem gleichzeitigen Berühren des eigenen Schwertgriffs durch die linke Hand ergänzt, was dann die sittsame Respektsbezeugung zwischen Kriegsherren ist. Arbonische Reiter können das Gleiche tun oder lassen, das sieht man nicht so eng. Die angedeutete Verbeugung vor einer rechtsmündigen Person niedrigeren Ranges ist die adäquate Antwort auf eine tiefe Verbeugung.

Vor rechtsunmündigen Personen verbeugt man sich grundsätzlich nicht. Die tiefe Verbeugung kommt zum Einsatz, wenn man Höherrangige begrüßt. Eine tiefe Verbeugung findet logischerweise stehend statt (wenn man sitzt erhebt man sich). Eine angedeutete Verbeugung kann sitzend ausgeführt werden, auch wenn es unter Gleichrangigen höflicher erscheint, sich dafür zu erheben. Das wird insbesondere dann von Leuten erwartet, wenn sie sonst nichts zu tun haben, was das Sitzen erfordert (z. B. essen, an einer Gesprächsrunde teilnehmen oder repräsentatives Sitzen).

Neben der angedeuteten und der tiefen Verbeugung gibt es zwei Steigerungen, die nur in besonderen Situationen zum Einsatz kommen: Kniefall und Fußfall.

Der Kniefall kommt in religiösen Zeremonien und speziellen Rechtsakten, bei der Begrüßung des Herrschers und bei der Bitte um Vergebung zum Einsatz. Es achtet dabei niemand darauf, ob man auf beide oder nur auf ein Knie sinkt. In der Regel verharrt man im Kniefall, bis die Person, der die Geste gilt, zum Aufstehen auffordert.

Im Falle des Gebets kann man den Kniefall damit steigern, dass man in gewissen Abständen mit der Stirn den Boden berührt (weshalb Oberbekleidung, die in dieser Haltung das Gesäßteil der Hosen entblößt, in Konflikt mit der Sittsamkeit geraten kann). Diese Mischform aus Knie- und Fußfall kann auch bei der Bitte um Vergebung gewählt werden. Es ist nur ein prominenter Fall im politischen Zeremoniell bekannt, wo sie als Huldigungsgeste verwendet wurde, nämlich von der anwesenden Priesterschaft nach der Abdankung des Erzkanzlers bei der Inthronisierung von Emendon und Marsiane.

Der Fußfall als Steigerung des Kniefalls kommt ausschließlich in Situationen vor, in denen man um Gnade bittet, es ist die stärkste zur Verfügung stehende Demutsgeste. Beim Fußfall geht man auf die Knie, um sich dann mit ausgestreckten Armen flach auf den Boden zu legen. Wenn die Person, der der Fußfall gilt, nicht zum Aufstehen auffordert (oder besser mit beiden Händen symbolisch beim Aufstehen "hilft"), zeigt sie sich als untugendhaft bzw. grausam. Das Verweigern von Gnade aufgrund eines Fußfalls existiert in der politischen Symbolsprache nicht. Der Liegende kann von der anderen Person nur in einer einzigen Situation ignoriert werden: Wenn nach einem ordentlichen Prozess ein Todesurteil gefällt wurde, das nun vor der Vollstreckung steht.

Wangenlege (Segensgeste)

Geweihte Priester und Priesterinnen begrüßen andere Gläubige, indem sie ihnen eine Hand mit der Handfläche nach oben entgegenstrecken, was dann so ähnlich aussieht, als ob sie ihnen mit der Hand Wasser geben wollten. So begrüßte Gläubige ergreifen die ihnen entgegengestreckte Hand mit beiden Händen und legen ihre Wange in die Handfläche des Priesters oder der Priesterin, was üblicherweise mit einer Verbeugung vor ihm/ihr verbunden ist. Dieser/diese legt dann die andere Hand segnend auf den Kopf des/der Gläubigen.

Diese Segensgeste ist nicht nur Priestern und Priesterinnen vorbehalten, sondern kann immer zum Einsatz kommen, wenn eine Beziehung zwischen einem Spender von Glück und einem Empfänger von Glück angezeigt werden soll. Daher kommt sie auch zwischen Sippenoberhaupt und Sippenangehörigen, Eltern und Kindern, Gastgeber und Gast, Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörigen und nicht zuletzt zwischen Patron und Vasall zum Einsatz.

Daher zeigt die Segensgeste auch eine situative Hierarchie oder einen Rangunterschied an. Diese Information korrespondiert mit den verschiedenen Formen von Verbeugung, Kniefall oder Fußfall: Je nach Situation kann sie unter Personen mit sehr geringem Rangunterschied (z. B. Sippenoberhaupt und Ehegatte) sehr einfach ausfallen, der Schutzbefohlene führt dazu die Hand des Patrons auf die eigene Wange, ohne dass es zur Verbeugung kommt. Priester und Priesterinnen begrüßen sich untereinander, indem sie sich gegenseitig die Hand auf die Wange legen. Zur regelrechten Unterwerfungsgeste kann es werden, wenn man sich tief hinunter beugen oder gar vor dem sitzenden Patron knien muss. In Situationen, wo dies nötig ist, z. B. wenn man um Vergebung bitten oder öffentlich seine Loyalität anzeigen will/muss, wird natürlich die Hand nicht zur Wange geführt, sondern die Wange in die (mitunter sehr tief gehaltene) Handfläche gelegt.

Bruderkuss

Der Bruderkuss (der gerne auch Schwesterkuss genannt werden kann ;) ist eine Geste der öffentlich gezeigten Zuneigung. Das kann, muss aber nichts mit tatsächlich empfundener Freundschaft zu tun haben. Bei Hofe zeigt man damit politische Einvernehmlichkeit an.

Mit dem Bruderkuss wird kein Hinweis auf den Rang gegeben. Die Geste impliziert ausdrücklich keine Gleichwertigkeit der Beteiligten. Es kann also durchaus geschehen, dass der Hochfürst einem Freien einen Bruderkuss gibt. Der Freie fühlt sich dadurch vielleicht subjektiv erhöht, der Hochfürst stellt dadurch aber keine symbolische Ranggleichheit her. Beim Bruderkuss fassen sich zwei Personen gegenseitig an den Oberarmen und geben sich gegenseitig einen Kuss auf beide Wangen. Wer OT Berührungsängste hat, kann durch besondere Langsamkeit beim Annäherung der Gesichter und dem Kippen des Kopfes in die dem Gegenüber abgewandte Seite zeigen, dass es bei der Andeutung von Küssen bleiben soll.

Wappen-/Ring-/Kleidkuss

Der Wappenkuss stellt eine Mischung aus Wangenlege und Bruderkuss dar. Mit dem Küssen des Wappens eines Anderen kann man Diesem seine Loyalität zeigen, ohne ihm damit einen höheren Rang zuzuweisen. Also kann auch der Hochfürst das Wappen eines Vasallen küssen, um damit die Verbundenheit zu dessen Sache bzw. seine Schutzpflicht und Treue zu bekräftigen, ohne seinen Vorrang symbolisch aufzugeben.

Natürlich bekommt diese Geste eine andere Bedeutung, wenn sie mit einer tiefen Verbeugung oder einem Kniefall verbunden ist. In diesem Fall ist die Bedeutung identisch mit der Wangenlege. Statt dem Wappen kann man auch einen Ring, den Mantel, den Dolch, etc. des Anderen küssen.

Schwerthuldigung

Mit dem Umfassen der entgegengebrachten Klinge eines Anderen signalisiert man seine Bereitschaft zur Heerfolge bzw. die Unterordnung unter dessen militärisches Kommando. Die Geste wird kniend ausgeführt, zeigt also auch eine Rangfolge an. Doch diese Information zum hierarchischen Verhältnis bezieht sich nur auf den unmittelbaren Kontext der Geste. D. h., dass z. B. ein Baron sich damit dem militärischen Kommando eines einfachen Ritters unterstellen kann, ohne seinen formal höheren Rang symbolisch aufzugeben. Er erkennt dann den höheren Rang nur für eine spezielle, sich aus dem Kontext erschließende militärische Situation an.

Eine alternative Geste zur Schwerthuldigung mit mehr oder weniger identischer Bedeutung ist das Überreichen des eigenen Schwertes an einen Anderen, der es dann zurückgibt. Diese Geste kommt auch zum Einsatz, wenn ein Heerführer einem anderen die Niederlage eingesteht (in diesem Fall wird das Schwert nicht zurückgegeben).

Entgegenkommen

Wenn ein Haushaltsvorstand eine Reise gemacht hat, ist es üblich, dass sie ihre Rückkehr ankündigt. Damit wird der Person, die in ihrer Abwesenheit die Geschäfte geführt hat, Gelegenheit gegeben, ihrer Herrin entgegenzukommen. Damit signalisiert sie, dass sie die Autorität, die sie stellvertretend ausgeübt hat, an ihre Herrin zurückgibt. Das wird oft mit dem Überreichen des Schlüssels oder eines ähnlichen symbolischen Gegenstands ausgedrückt.

Diese Geste kommt auch bei allen Vasallen- und Dienstverhältnissen zum Einsatz, auch wenn die Vasallin hier ihre Schlüssel (analog zum dargebotenen Schwert) unmittelbar zurückbekommt.

Aufgrund dieser Sitte war z. B. die Hausherrin beim Arbon 6 auch bis zum Samstag nicht da: Sie kam dem Hochfürsten (und den Vasallen, die ihn begleiten) entgegen. Aus pragmatischen Gründen gilt es als sittsam, wenn das einfache Gefolge des zurückkehrenden Haushaltsvorstands/des Lehnsherrn schonmal vorgereist ist, um die Ankunft vorzubereiten.

Die gleiche Situation hat sich damals "unerwartet" auf den ganzen Arbon 2 ausgedehnt.

Aufwartung

Als Aufwartung werden kleine Alltagshandlungen bezeichnet, die ein Knecht, eine Magd oder ein Leibdiener am Haushaltsvorstand vornimmt, aber keine essentiellen Notwendigkeiten für das wirtschaftliche oder physische Überleben darstellen: Essen und Trinken servieren, Kleidung vorbereiten, Waffen pflegen und Pferde vorbereiten. Also all das, was der Haushaltsvorstand theoretisch auch selber tun könnte, es aber aufgrund seines Ranges nicht tun muss. Diese Gesten kommen auch bei allen Vasallen- und Dienstverhältnissen zum Einsatz, wenn auch in symbolisch reduzierter Form. In der Umgebung des Hochfürsten lassen sich über die genaue Aufteilung der Aufwartungsgesten Rückschlüsse darauf ziehen, welcher Vasall welche Funktion im Reich hat:

• Der Seneschall deckt für den Herrscher ein,

• der Hüter der Schwelle (= Mundschenk) reicht ihm Getränke

• und die Hausmutter reicht ihm Speisen,

• der Marschall sattelt sein Pferd,

• der Dan (falls Arbonier) tritt als sein (prominentester) Leibwächter auf,

• die Kammerherrin kümmert sich symbolisch um seine Garderobe, legt ihm z. B. den Mantel um,

• Ergänzungen sind willkommen.

Vorkosten

Wer einem Anderen ein offenes Getränk überreicht, kostet unter den Augen des Anderen vor. Auch der Knecht, der dem Grafen einen Becher Wein reicht und umgekehrt, selbst bei fremden Gästen. Das ist so selbstverständlich wie “Gesundheit” sagen, auch wenn es keinen faktischen Grund (also z.B. keine Vergiftungsgefahr) gibt.

Eidformel

Jede Form von Eid hat Jemanden, der ihn schwört und Jemanden, der ihn (zumindest repräsentativ, z. B. stellvertretend für Götter oder Gemeinwesen) entgegennimmt. Meistens schwören sich beide Personen gegenseitig etwas, es gibt aber immer zwei Seiten mit Redeanteil, als ob es sich um einen Dialog handeln würde. Der Schwörende sagt seinen Namen und den Namen seiner Mutter vor oder als Teil des Eides.

Gastgeschenk/Geschenketausch

Es ist üblich, dass nicht nur Gäste ihren Gastgeber beschenken, sondern auch Gastgeber ihre Gäste. Bei diesen Geschenken geht es um eine Geste der Bekräftigung des Gastrechts, nicht mehr. Übertrieben teure Geschenke werden dagegen als Bestechungsversuch oder Entschädigung für zuvor begangenes Unrecht angesehen. Das muss nicht unwillkommen sein. Das Annehmen solcher Geschenke bedeutet dann, dass man auf den Vorschlag/die Wiedergutmachung eingeht oder mit einem Geschenk der gleichen Preisklasse antwortet. Das hat aber nichts mehr mit der Geste des Gastgeschenks zu tun, das nicht "billig", aber stets maßvoll ausfällt.

Höfische Ritualabläufe in Anwesenheit des Hochfürsten

Begrüßung

Wenn der Hochfürst mit seinem Gefolge in einem seiner Haushalte oder dem von Vasallen ankommt, wird er einmal kurz ausgerufen, damit man weiß, dass er da ist. Dafür kommt nicht seine ganze Titulatur zum Einsatz, sondern nur ein kurzes: "Lob unserem hochfürstlichen Herrn! Gepriesen sei sein Name!" Das kann der Herold oder auch jeder Andere tun.

Nun wird er von der Herdmutter (der jeweiligen Geschäftsführerin des Haushalts, die ihm natürlich entgegengekommen ist und nun mit ihm ankommt) auf seinen Platz geleitet. Währenddessen gehen alle schon anwesenden Untertanen auf die Knie und erheben sich wieder, sobald er sitzt.

Als nächstes nehmen er und die anderen Neuankömmlinge die Gesten des Gastrechts entgegen. Sie bestehen üblicherweise in einem Begrüßungstrunk und dem Verzehr von Brot oder sonstigen dargebrachten Speisen, sowie einer Gelegenheit zum Geschenketausch zwischen Gästen und Gastgebern. In manchen Haushalten hat sich zusätzlich die morgenländische Sitte etabliert, die Gäste zum Wasserbecken zu geleiten bzw. ihnen die Waschschüssel darzubringen, um ihnen die Gelegenheit zum Händewaschen zu geben. Die Wilkommensgesten erfolgen zwar als Ritus (mit der Aussage, dass das geheiligte Gastrecht gespendet bzw. empfangen wird), sind allerdings relativ formlos. Man steht nicht in der Schlange und wartet, bis man aufgerufen wird, um Trunk, Brot, Waschchüssel und Geschenketausch in exakt festgelegter Reihenfolge zu absolvieren. Stattdessen legt man währenddessen schonmal die Mäntel ab, redet vielleicht ein paar Worte mit schon anwesendem Gefolge oder den anderen Gästen, etc. Den Hochfürsten lässt man in dieser Situation einsam auf seinem Platz sitzen, er beobachtet in Ruhe die Anderen.

Sobald sich in den folgenden zwei bis fünf Minuten alles etwas beruhigt hat, fragt der Hochfürst die Herdmutter, welche ranghaften Personen noch zu begrüßen sind. Die Herdmutter hat für gewöhnlich von ihrem Haushalt schon eine entsprechende Liste bekommen, die sie mit dem Herold oder seinem Vertreter geteilt hat. Die Personen werden nach und nach „vorgestellt“, d. h., von der Herdmutter knapp genannt ( z. B. "Frau Camuran ist schon da, mein hochfürstlicher Herr") und vom Herold mit vollem Namen und Amt ausgerufen ("Frau Camuran Barca anh Caja, die Verwalterin von Demirkal). Diese tritt derweil vor und begrüßt den Hochfürsten mit der angemessenen Geste.

Die angemessenen Begrüßungsgesten für den Hochfürsten sind Folgende:

• Geweihte Priester und Priesterinnen gehen zum sitzenden Herrscher, vollführen unmittelbar vor ihm einen Kniefall, halten den Blick auf Emendon gerichtet, stehen ohne Aufforderung auf, danach legt der Hochfürst die Wange in die Hand des Priesters oder der Priesterin und lässt sich segnen.

• Untertanen des Hochfürsten mit Vasallen- oder Cirkaterstatus gehen zum sitzenden Herrscher, vollführen unmittelbar vor ihm einen Kniefall, legen ihre Wange in Emendons Hand und stehen nach dessen Segen auf.

• Untertanen des Hochfürsten ohne Vasallen- oder Cirkaterstatus gehen zum sitzenden Herrscher, vollführen unmittelbar vor ihm einen Kniefall, halten dabei den Blick zu Boden gerichtet und stehen nach seiner Aufforderung auf.

• Nicht-Untertanen nähern sich dem Hochfürsten bis auf drei Schritt, vollführen eine tiefe Verbeugung und richten sich nach einigen Sekunden (in denen Emendon Gelegenheit hat, sie zum Aufrichten aufzufordern) unaufgefordert auf (falls Emendon zu langsam ist).

Ranghaften Neuankömmlingen wird bei ihrer Ankunft Gelegenheit bekommen, den Hochfürsten angemessen zu begrüßen. Ihr Status verlangt, dass man das nicht vergisst und nicht nebenbei abfrühstückt, sondern ihnen den öffentlichen Raum zur formellen Begrüßung des Herrschers einräumt.

Zum Glück ist es überflüssig, dass all die Vasallen, die mit dem Hochfürsten gemeinsam angereist sind, ebenfalls formell grüßen. Auch von den Untertanen ohne Vasallenstatus wird das nur erwartet, wenn sie zu einem rituellen Anlass das Wort an ihn richten.

Der Hochfürst erkundigt sich nun üblicher Weise bei der Herdmutter nach dem weiteren Ablauf (wie lang bis zum Abendgebet, wann gibt es Essen? etc.) und verkündet nach der Antwort, dass man dann ja nun die Zeit bis dahin nutzen könne, "sich von der Reise zu erholen".

Meist hat niemand wirklich die Absicht, das zu tun. Die Worte des Hochfürsten sind der Code für: Jetzt beginnt der formlose Teil, jetzt kommen die Hinterzimmergespräche, bis dann und dann haben wir dafür Zeit.

Abendgebet

Das läuft wie immer und wie immer will niemand Romane hören, wenn der Trank kreist. Man kennt die Grundregel, dass Nähe zum Priester hohen Rang signalisiert. Gerade in der Umgebung des Hochfürsten wird darauf geachtet. Logisch, auch die Nähe zum Hochfürsten signalisiert hohen Rang (er steht rechts vom Priester und bekommt daher den kreisenden Trank als Vorletzter).

Mahl

Nicht jede seiner Mahlzeiten dient der Herstellung von politischer Öffentlichkeit. Doch bei einem repräsentativen Mahl unter Anwesenheit des Hochfürsten spielt es keine Rolle, ob es ein üppiges Festmahl sein wird oder aus irgendwelchen Gründen alle nur trockenes Brot bekommen. Es geht es formell zu.

• Erst decken alle für sich ein, das Geschirr des Hochfürsten wird nur bereitgestellt. Der Seneschall (bzw. die Beiden) decken für den Hochfürsten erst ein, wenn er an der Tafel Platz genommen hat.

• Es gibt eine Sitzordnung, die der Rangfolge entspricht. Dabei ist es nett, aber überflüssig, wenn Männer und Weiber pärchenweise sitzen. An der hochfürstlichen Tafel wird diese Nettigkeit nicht davon ablenken, dass die Abbildung der Rangfolge entscheidend ist.

• Wie sieht die aus? Der Hochfürst sitzt ganz oben. Ihm am Nächsten sitzen die Träger der Hofämter, die ihm an der Tafel aufwarten (Vertreter des Mundschenks und Herdmutter). Danach kommen die Großen oder ihre Vertreter sowie die höchstrangigsten Gäste. Danach kommen die anderen Vasallen und Gäste. Unten sitzen alle Übrigen.

• Man setzt sich erst wenn der Hochfürst sich setzt. Ist er zu Beginn nicht anwesend, steht man auf, wenn er den Raum betritt.

• Die Herdmutter lässt die Waschschüssel(n) zum Händewaschen herumgehen (bzw. gibt Bediensteten das Signal dafür).

• Der Hochfürst fordert die Herdmutter auf, ein Dankgebet zu sprechen.

• Die Herdmutter spricht ein Dankgebet.

• Erst nach dem Dankgebet wird gegessen. Wann immer es logistisch möglich ist, wird dabei das Essen so arrangiert, dass man sich direkt von der Tafel bedienen kann. Ein Brimborium wird nur um das Servieren für den Hochfürsten gemacht, bei allen Anderen spielt das keine Rolle.

• Die Tafel gilt als aufgehoben, wenn der Seneschall (bzw. die Beiden) das Geschirr des Hochfürsten abdecken. Wer dann sitzen bleiben will, kann sitzen bleiben, wer gehen will kann gehen. Bevor das geschieht, ist es völlig in Ordnung, wenn jemand mal kurz aufstehen will oder man kurz weg ist. Doch diese Pausen sollten sich in Grenzen halten. Man erwartet von Allen, sichtbar am Mahl teilzunehmen. Dabei darf und soll es laut und ausgelassen zugehen. Wenn jemand die Öffentlichkeit der Tafel für Verkündungen oder Ähnliches nutzen will, wird er oder sie das mit lauter Stimme ankündigen (lassen).

Sonstige mehr oder weniger politische Rituale

Reichsthing

Siehe dort

Arbonisches Stammesthing

Siehe dort

Flutländisches Stammesthing

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Vasalleneid

Siehe dort

Herdsegen

Siehe dort.

Bannerschau

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