Der arbonische Staat - Regionalistische Strukturen

Aus Trigardon
Version vom 15. Juni 2017, 12:03 Uhr von RiaRetterspitz (Diskussion | Beiträge)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Die Druckversion eines Readers zu den staatlichen Strukturen von Emendons Reich ist hier: Datei:Der Arbonische Staat (Betaversion).pdf

Regionalistische Strukturen des arbonischen Staates

Der Arbonische Staat hat zehn Verwaltungsbezirke. Die Anzahl ist Zufall und hat sich ebenso wie die Grenzen dieser Bezirke im historischen Prozess ergeben. Diese Verwaltungsbezirke sind (von West nach Ost):

  • Die Baronie Erlenfels
  • Die Baronie Argaine
  • Die Baronie Arden
  • Die Baronie Rhack
  • Die Baronie Garesch
  • Die Baronie Harog
  • Die Baronie Montrowia
  • Die Grafschaft Altberg
  • Die Baronie Drachenport
  • Die Baronie Tinar

Sie haben ein ungefähr miteinander vergleichbares Wirtschaftsvolumen. Auch wenn das niemand errechnen kann, schätzen alle Akteure es im Großen und Ganzen so ein. Jeder dieser Verwaltungsbezirke ist potentiell autonom. Er wäre theoretisch dazu in der Lage, auch längerfristig alle notwendigen wirtschaftlichen Bedürfnisse selbst in Notzeiten allein durch den auf seinem Boden stattfindenden regionalen Handel zu befriedigen und seine soziale Infrastruktur ohne fremde Hilfe aufrecht zu erhalten. Das musste zwar noch nie unter Beweis gestellt werden, aber alle Akteure schätzen es so ein. Aus diesen Gründen haben sie grundsätzlich alle das gleiche politische Gewicht. Es ist irrelevant, dass natürlich einige Bezirke reicher als andere sind.


Lokale Oligarchen

In jedem dieser Verwaltungsbezirke gibt es einen zentralen Haushalt. Dieser verfügt über die mit Abstand größten agrarischen Nutzflächen in diesem Bezirk. Es handelt sich dabei zwar um ein über das Land verteiltes Netzwerk von Höfen unterschiedlicher Größe und Nutzungsrechten verschiedenster Art, agiert aber als wirtschaftliche Einheit. Deshalb tun wir mal so, als ob es ein einziger Haushalt wäre. Der Vorstand des zentralen Haushaltes ist nicht eine einzige Person, sondern üblicherweise ein Adelspaar mit seinen engsten Vertrauten. Trotzdem behandlen wir sie als einen einzelnen Akteur, den wir liebevoll den lokalen Oligarch nennen. IT würde man ihn je nach Region "Baronin/Baron", "Marschall", "Gräflicher Vogt" oder "Hochfürst" nennen.

Der lokale Oligarch übt immer auch mindestens die mittlere Ebene der Gerichtsbarkeit aus (an geeigneter Stelle mehr dazu) und beschäftigt Verwandte und Edle des persönlichen Umfeldes als semi-professionelle Verwalter zur Beaufsichtigung des zentralen Haushalts. Die Übersicht über seine Wirtschaftstätigkeit lässt sich nur noch mit Hilfe schriftlicher Listenführung gewährleisten. Er ist der Anführer des Heeresaufgebots des Bezirks und kann sich als einziger eine unabhängig von landwirtschaftlichen Arbeitszyklen und über die üblichen zeitlichen Befristungen von Heerfolgeverpflichtungen hinaus einsatzbereite Kriegergefolgschaft nennenswerter Größe leisten. Damit hat er alle Mittel zur Verfügung, um auf die anderen Wirtschaftsteilnehmer des Bezirks mehr oder weniger sanften Druck auszuüben, um die Produktionsverhältnisse seines Verwaltungsbezirks auf die Bedürfnisse des zentralen Haushaltes zuzuschneiden. Prosperiert also der zentrale Haushalt, geht es den anderen Wirtschaftsteilnehmern zumindest nicht schlecht, stagniert der zentrale Haushalt, ist das schnell ein Problem der ganzen Region.

Die Stellung der lokalen Oligarchen hat die Akzeptanz aller Bevölkerungsschichten. Diese Akzeptanz basiert darauf, dass der lokale Oligarch seine Macht in den Augen der anderen Besitzenden seines Verwaltungsbezirks "richtig" einsetzt, womit er auf ein bestimmtes Verhalten festgelegt wird.

Die Grundbesitzer

Mit "die Besitzenden" sind all Diejenigen gemeint, die unveräußerliche Nutzungsrechte auf Landressourcen haben. Was heißt das nun wieder? Landressourcen sind Ackerland, Weideflächen, Bach- und Flusssysteme (sofern sie zur Bewässerung, als Nahrungslieferant, als Transportweg oder zum Betreiben von Mühlen genutzt werden), Wälder (sofern darin Holz geschlagen, gejagt oder Kleinvieh gehalten wird), Steinbrüche, nutzbare Erzvorkommen etc. Also alles Land, was irgendwie genutzt wird. Unbesiedelte Landstriche gelten erstmal nicht als Landressourcen.

Nutzungsrechte können zeitlich begrenzt (z. B. in Form von Lehen oder Pacht) oder zeitlich unbegrenzt sein. Letzteres nennt die Sprache des Rechts "Eigentum an Grund", alltäglich sagt man auch "Grundbesitz". Eigentum an Grund ist kein Immobilienbesitz, wie wir ihn heute verstehen! Grundeigentum entsteht in Trigardon, wenn eine bestimmte Landressource schon solange kontinuiertlich genutzt wird, dass im kollektiven Gedächtnis eine Rechtsgewohnheit entstanden ist, solange diese Rechtsgewohnheit nichts anderes verfügt. Was im kollektiven Gedächtnis "schon immer" nur Lehen war, wird durch längere Kontinuität nicht zu Eigentum. Doch wenn der eigentliche Eigentümer nicht regelmäßig auftaucht, verschiebt sich wohlmöglich das kollektive Gedächtnis. "Schon immer" ist natürlich auch nicht wörtlich zu verstehen, sondern bezieht sich auf Phasen der Kontinuität, die durch besondere Umstände wie Krieg und Vertreibung durchaus dauerhaft beendet werden können.

Grundeigentum kann vererbt und verpachtet, nicht aber verkauft oder gekauft werden. Strafrechtliche Beschlagnahmung oder höchstrichterlich abgesicherte Schenkung sind sehr seltene Ausnahmefälle – und auch sie werden erst rechtswirksam, wenn neue Eigentümer dort mindestens ein paar Erntezyklen zugebracht haben, ohne den sozialen Frieden zu stören.

Nur im Falle von großen Landstrichen reinen Ackerlandes handelt es sich wirklich um klar voneinander abgegrenzte Grundstücke. Oft genug "besitzen" zwei oder mehr Parteien die Nutzungsrechte auf den gleichen Wald, sich überlappende Weideflächen usw. Dann müssen sie eine Praxis aushandeln, die die Interessen aller Parteien wahrt. Konflikte um die Auslegung dieser Praxis sind gewiss der wahrscheinlichste Auslöser von Fehden.

Die Grundbesitzer lassen sich nochmals in zwei Klassen einteilen. Die eine hat kleinen, mittleren oder großen Grundbesitz, aber keine Herrschaftsrechte. Das können Bauern und Hirten sein, die frei oder edel geboren sind und hauptsächlich von den Erträgen der Agrarproduktion ihres Grundbesitzes leben. Sie können Pächter, Hörige und sonstwie abhängig Beschäftigte haben oder nicht, Klein- oder Großbauern sein. Reine Händler und Handwerker, die nicht nebenbei noch Bauern oder Hirten sind, stehen sozial unter dieser Schicht, selbst wenn sie manchmal einen höheren Lebensstandart genießen. In Altberg und in der Ostprovinz gibt es Ausnahmefälle, wo auch Händler und Handwerker die gleiche soziale Anerkennung und den gleichen politischen Einfluss ausüben können wie die Grundbesitzer. Aber auch dort sind es Ausnahmen.

Auch die Verwalter größerer Güter werden wie selbstverständlich ebenfalls als Angehörige der grundbesitzenden Klasse wahrgenommen, obwohl sie eigentlich kein "Eigentum an Grund" haben. Auch wenn sie dem eigentlichen Grundeigentümer natürlich Rechenschaft über ihre Wirtschaftstätigkeit ablegen müssen und er jede ihrer Entscheidungen theoretisch wieder kassieren könnte, lässt er ihnen in der Praxis eher großen Spielraum. Um ihn zu repräsentieren und seine Geschäfte vor Ort zu führen, müssen sie als Haushaltsvorstand auftreten und einen vornehmen Lebensstil pflegen können.

Die andere dieser Klassen hat immer großen Grundbesitz, ist immer edel geboren und übt gewisse Herrschaftsrechte über den Gerichtsbezirk aus, in dem der jeweils eigene Grundbesitz liegt. Sie nennt man Grundherren und logischer Weise ist der lokale Oligarch einer von ihnen – nämlich der Ranghöchste. In der Regel versuchen die anderen Grundherren, in ihrem Gerichtsbezirk die gleiche wirtschaftliche Vorrangstellung einzunehmen, wie ihr lokaler Oligarch im Verwaltungsbezirk. Aber es gelingt ihnen aus verschiedenen Gründen selten so gut. Ein Grund liegt darin, dass sie viel weniger materiellen Spielraum haben. Ein anderer Grund kann sein, dass der lokale Oligarch eigenen Grundbesitz und wirtschaftliche Interessen in den Gerichtsbezirken der anderen Grundherren hat und über seine Verwalter vor Ort präsent sein kann.


Wodurch wird die Macht des lokalen Oligarchen im eigenen Verwaltungsbezirk begrenzt?

Warum ist die Akzeptanz der Grundbesitzer für die Vormachtstellung des lokalen Oligarchen trotzdem wichtig? Das ist nur teilweise wirtschaftlich zu erklären. Verschachtelter Besitz und von gegenseitigen Abhängigkeiten bestimmte Produktionsverhältnisse lassen es sinnvoll erscheinen, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer untereinander kooperativ verhalten.

Aber Szenarien extremen Machtmissbrauchs wären durchaus denkbar. Der Oligarch ist ja weniger abhängig von den Anderen als umgekehrt. Er könnte also auf die Idee kommen, seine "marktbeherrschende" Stellung so auszunutzen, dass er zwar Verluste hinnehmen muss, die anderen Grundbesitzer aber derart in den Ruin treibt, dass diese ihre rechtlichen Verpflichtungen (etwa zum Kriegsdienst) nicht mehr erfüllen können und daraufhin mit seinen juristischen Mitteln nach und nach ihr Land einziehen. Und würde nicht allein die Androhung solcher Methoden dafür sorgen, dass alle im Bezirk nach des Oligarchen Pfeife tanzen? Vielleicht. Aber es kommt buchstäblich nie dazu. Es ist nicht unüblich, dass ein lokaler Oligarch sich des Mittels der Einschüchterung bedient, um Leute auf seinen Kurs zu bringen. Aber er kann gewisse rote Linien dabei nicht überschreiten.

Die Mentalität der Bevölkerung und soziale Kontrolle setzen die Grenzen der Dominanz des lokalen Oligarchen. Argumentieren wir ein letztes Mal rein wirtschaftlich: Eine "marktbeherrschende Stellung" auszunutzen, ist in einem Land, in dem alle Marktteilnehmer zugleich Subsistenzwirtschaft betreiben, gar nicht so leicht. Zumindest mittelfristig kann jeder Agrarproduzent auch auf die Marktteilnahme verzichten und kommt trotzdem über die Runden. Wenn also jemand zu Handlungen bewegt werden soll, die seinen materiellen Ruin bedeuten, kann er sich schlicht weigern und hat in Trigardon nach allgemeiner Auffassung auch jedes Recht dazu.

Damit sind wir schon an dem Punkt, wo der Oligarch seine hypothetischen finsteren Pläne nur noch mit Gewalt durchsetzen kann. Und das ist riskant. Er hat zwar als einziger eine stets einsatzbereite Haustruppe, aber auch die Grundbesitzer sind bewaffnet – flächendeckend und ohne Ausnahme. Zumindest in Arbon und Altberg sind sie zudem in weit verzweigte familiäre und soziale Netzwerke eingebunden, auf deren Solidarität sie zählen können. Netzwerke, die sie auch mit den Kriegern der Haustruppe verbinden können.

Auch die Tatsache, dass Grundbesitz als unveräußerliches Nutzungsrecht gesehen wird, wirkt als Schutz vor Enteignung. In Arbon und Altberg gab es immer nur diese eine Vorstellung von Grundbesitz. Es liegt also jenseits der gesellschaftlichen Vorstellungskraft, ein anderes Besitzrecht einzuführen. Landressourcen werden als göttliche Leihgaben gesehen, die man für die eigenen Nachkommen zu erhalten hat. Man weiß zwar, dass sie vor nicht allzu langer Zeit mittels extremer Gewalt verteilt wurden, fühlt sich aber durch die guten Ernten und den Kinderreichtum der vergangenen Jahrzehnte in der Ansicht bestätigt, dass die früheren schlimmen Zeiten überwunden sind und das Schicksal die Menschen für die gerechten Zustände heutiger Tage belohnt.

Der lokale Oligarch ist also darauf festgelegt, seine Macht so einzusetzen, dass der Grundbesitz in seinem Verwaltungsbezirk möglichst so verteilt bleibt, wie er heute ist. Ein anderes Verhalten würde als ungerecht, unmoralisch und ehrlos gewertet und unweigerlich Widerstand hervorrufen.

Aus der Perspektive des Oligarchen muss jedoch betont werden, dass nicht die Abschreckung durch vernetzte und bewaffnete Untergebene extremen Machtmissbrauch verhindert. Vielmehr ist "Profitmaximierung" kein Grund, den guten Ruf zu riskieren. Natürlich ist Gewinnstreben ein wichtiges Motiv für die Verwaltung seines Haushaltes. Aber nicht zu jedem Preis. Gewissenlos bereichern kann man sich nur an Menschen, die sozial irrelevant sind. Alle anderen haben Anspruch auf "anständige" Behandlung.


Soziale Fürsorge

Anspruch auf "anständige" Behandlung haben auch die Pächter und Hörigen. Sie haben zwar keine Besitzrechte und ein guter Teil von ihnen lebt ein hartes Leben in ärmlichen Verhältnissen. Aber sie sind Teil der gleichen sozialen und familiären Netzwerke, wie auch die Grundbesitzer. Als Sippen- oder Haushaltsangehöre besser gestellter Leute besteht für sie eine Fürsorgepflicht, die ernst genommen wird. Es gilt als höchst ungerecht, jemanden für einen einfachen Pachtverzug vom Hof zu jagen. Wenn dann die Pächterin einer Bäuerin auch noch zugleich ihre Tochter ist, gibt es erst recht keinen akzeptablen Spielraum mehr für rücksichtslose Ausbeutung.

In Notzeiten wird erwartet, dass die Mägde, Knechte und Leibeigenen eines Haushaltes durchgefüttert und nicht einfach vor die Tür gesetzt werden. Grundbesitzer, die diese Fürsorgepflicht nicht wahrnehmen können, wenden sich an reichere Grundbesitzer. Lokale Oligarchen stehen ebenso für ihre Pächter und Hörigen wie für ihre Verwandten, Vasallen und sonstigen unter ihrer Patronage stehenden Personen ein. Obwohl es rhetorisch gerne so ausgedrückt wird, ist das keine Großzügigkeit, sondern ein fester Bestandteil eines ungeschriebenen Gesellschaftsvertrags. Zwar können die sozial Stärkeren für ihre Nothilfe später die Dankbarkeit der sozial Schwächeren erwarten (auch das ist Teil des Vertrags). Aber die Option, Angehörigen des gleichen sozialen Verbandes Nothilfe zu Verweigern, gibt es nicht. Dieses soziale Sicherungssystem ist nicht lückenlos. Man darf nicht vergessen, dass Fremde und ein großer Teil der gar nicht so kleinen Gruppe der Tagelöhner von ihm ausgeschlossen sind. Ja, die überlässt man in Extremsituationen sogar dem Kälte- oder Hungertod – ohne einen Ehrverlust zu erleiden. Man sollte sich das soziale Netz des arbonischen Staates also nicht zu idyllisch vorstellen.

Doch es ist eben dieses soziale Netz, das dafür sorgt, dass die sehr ungleiche Verteilung des Besitzes und der Chancen auf Wohlstand in Emendons Reich allgemein akzeptiert wird. Es ist auch einer der Gründe dafür, warum man dazu tendiert, im Vorstand des reichsten Haushaltes zugleich auch den legitimen politischen Repräsentanten einer Region zu sehen.


Legitimität lokaler politischer Führer

Reichtum verpflichtet – nicht nur zu sozialer Verantwortung, sondern auch zur politisch-militärischen Führung. Beides, Reichtum und Führung, ist nicht voneinander zu trennen. Im Stamm der Arbonier ist dieses den Ahnenkulten entstammende Denken quasi zu einer politischen Religion geworden. Aber auch im Stamm der Bergischen, im Kleinen Volk und in ethnisch heterogenen Regionen wie Montrowia und der Ostprovinz leitet sich die Legitimität der politischen Führer von ihrer Fähigkeit und Bereitschaft ab, mit ihrem eigenen Besitz Lasten zu schultern, die wir heute in der realen Welt zu den Aufgabenbereichen der öffentlichen Hand zählen würden. Darüber Einfluss auf Öffentlichkeit und Institutionen zu nehmen, ist überall in Emendons Reich an der Tagesordnung.

Man sollte sich bewusst machen, dass das IT kein Merkmal eines schwachen Staates ist und auch nicht argwöhnisch unter Korruptionsverdacht gestellt wird. In modernen Staatswesen haben wir zurecht ein Problem damit. Unsere Charaktere haben aber keine Vorstellung von modernen Staatswesen! Die Trigardonen sind der Meinung, dass es ohne die Großzügigkeit der Reichsten einfach nicht zu Großinvestitionen oder regionaler Infrastruktur kommen würde.

In Emendons Reich stehen ganz andere Dinge als Vetternwirtschaft oder Interessenkonflikte unter Korruptionsverdacht. Die Grenzen der Macht werden in erster Linie durch soziale Kontrolle gesetzt. Grundherren müssen sich also entsprechend der Normen und Wertvorstellungen der Bevölkerung verhalten. Wenn der Haushalt des lokalen Oligarchen wiederholt moralische Skandale hervorbringt, wird das als handfestes Problem der öffentlichen Ordnung gesehen und kann schnell zu erheblichem Akzeptanzverlust auf allen hierarchischen Ebenen führen.

Um das gerechte oder ungerechte, moralische oder unmoralische Verhalten des lokalen Oligarchen und der anderen Grundherren zu verhandeln, stehen nur einfache Kommunikationsmittel zur Verfügung. Neben der Nachbarschaftspflege stellen Ereignisse wie Gemeinschaftsgebet, Herdsegen, familiäres Schiedsgericht, Feiern, Gerichts- und Markttage den Rahmen der Informationsweitergabe. Sippenoberhäupter und Grundherren müssen regelmäßig große Feste geben und Vorgänge öffentlichen Interesses dort "in Szene setzen", um sie überhaupt öffentlich zu machen. Die Bühne der Inszenierung liefert dabei der Haushalt des Gastgebers, öffentliche Ereignisse werden also auch vorwiegend mit den Begriffen des Haushaltes erklärt. Die Schlichtung einer Fehde bekommt Analogien zu einem Familiendrama mit gutem Ausgang, die Grundherrin wird als Mutter der Untertanen dargestellt, der Burgenbau als Renovierung des gemeinsamen Hauses kommuniziert und so weiter.

Dabei geht es nicht darum, den einfach gestrickten Landbewohnern komplexe Vorgänge möglichst einfach zu erklären. Die Grundherren haben nämlich auch keine andere Vorstellungswelt. Auch für sie ist der Verwaltungsbezirk "das Haus" der Baronin. Und auch die einfachen Leute wissen sehr genau, dass "des Hochfürsten Haus" erheblich komplexer ist als ihr Feld und ihre Hütte. Auch wir wissen heute ja, dass die "Deutschland AG" keinesfalls eine Aktiengesellschaft ist, tun uns aber trotzdem schwer damit, bessere Vergleiche zu finden.

Eine sehr wichtige Quelle der Legitimität für die lokalen Oligarchen und alle anderen Grundherren ist schließlich, dass sie im komplexen Haus des Hochfürsten ihre Funktion erfüllen. Weil im kleinen Pächterhaushalt genauso wie im großen Haus der Trigardonen jeder seine Rolle zu spielen hat, wenn es Bestand haben soll.


Weiter zu Teil 3: Zentralstaatliche Institutionen