Der arbonische Staat - Abgabenerhebung und Staatshaushalt

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Abgabenerhebung und Staatshaushalt

Die militärischen und gerichtlichen Aufgaben im arbonischen Staat sind pyramidal organisiert. Es liegt also nahe auch ein Steuersystem zu vermuten, in dem Grundherren Abgaben von ihren Untertanen einziehen und sie an übergeordnete Grundherren weiterleiten, sodass sie schließlich beim Staatsoberhaupt ankommen. Doch das ist ein Trugschluß.

Der Wunsch, dem Staat über bestimmte Abgaben einen wachsenden finanziellen Handlungsspielraum zu verschaffen, existiert. Doch zum Entwurf einer homogenen Steuerverfassung fehlt schlicht jede Informations- und Verwaltungsbasis. Schließlich ist Trigardon ein Wirtschaftsraum, der bestenfalls punktuell auf der Zirkulation von Bargeld basiert. Tatsächlich sieht die Abgabenerhebung im arbonischen Staat sehr uneinheitlich aus.

  • So gibt es Abgaben im Rahmen der Grundherrschaft, die nur die von Freien geführten Haushalte betrifft und von Edlen per se nicht erhoben werden. Sie dienen dazu, den Grundherren ihre militärischen Funktionen zu erleichtern. Davon leiten sie kaum mehr als symbolische Tribute an ihre Lehnsherren weiter!
  • Daneben gibt es den regional mehr oder weniger erfolgreichen Versuch einer Art allgemeinen Einkommensbesteuerung, der je nach gräflichem Gerichtsbezirk unterschiedlich gehandhabt wird: In Arbon gibt es den "Siebten Teil", in der Ostprovinz den "Zehnt" und in Altberg nichts dergleichen.
  • Und schließlich gibt es bestimmte Hoheitsrechte auf Abgaben, die das Staatsoberhaupt gegen einträgliche Gewinnbeteiligung von Grundherren und Amtleuten an den wichtigsten wirtschaftlichen Knotenpunkten des Reiches erheben lässt: Zölle, Mauten und Marktgebühren.

Abgaben im Rahmen der Grundherrschaft

Jeder von Freien geführte Haushalt eines Gerichtsbezirks, egal ob Pächter oder Grundbesitzer, leistet dem Haushalt seines Grundherrn zu bestimmten Terminen (z. B. einem jährlichen Feier- oder Gerichtstag) direkte materielle Abgaben, die man Tribute nennt. Dabei kommen alle möglichen Formen in Frage, die sich an lokal verschiedenen Gewohnheiten orientieren: Ein maßvoller Anteil der Ernte ist in den bäuerlichen Regionen üblich, Tribute in Form von Kleinvieh, Rindern, Bargeld oder sogar Pferden haben sich in der nomadischen und halbnomadischen Bevölkerung etabliert. Dort sind die Tribute deutlich höher und können teils sogar den Eindruck erwecken, als würde es sich dabei um direkte Besteuerung im modernen Sinne handeln. Tribute sind aber nicht dafür da, die Gemeinde zu finanzieren sondern haben eher psychologischen Nutzen: Sie dienen dazu, den Lehnsuntertanen die Autorität des Grundherrn ins Gedächtnis zu rufen und diesen an seine Schutzpflicht gegenüber seinen Lehnsuntertanen zu erinnern. In den bäuerlichen Regionen haben materielle Tribute keinen erheblichen Anteil an seinen Gesamteinkünften und auch in Gegenden mit reiner Weidewirtschaft ist der Haushalt des Grundherrn eher als Agrar- und Kriegsunternehmen tätig, denn als Steuereintreiber.

Für die sesshafte Bevölkerung besteht die wichtigste Abgabenleistung in ihrer Arbeitskraft, der sogenannten Fron. Unter den nomadischen Sippen gibt es das zwar ebenfalls, hat aber nicht die gleiche Bedeutung. Genauso wie auch für die materiellen Tribute gibt es für die Arbeitsleistungen keine einheitlichen Regelungen. Sie richten sich nach lokalen wirtschaftlichen Interessen und Rechtsbestimmungen, die regelmäßig von beiden Parteien nachverhandelt werden. Die Freien sind dem Grundherrn für gewöhnlich einige Tage des Jahres Arbeitsdienst auf dessen Besitz schuldig. So kann dieser größere Güter bewirtschaften, als es ihm nur durch seine Hörigen allein möglich wäre und er muss weniger Land verpachten. Klug eingesetzt führen Frondienste also zu erheblichen Ertragssteigerungen auf der Seite des Herrn. Darin liegt der eigentliche Wert seiner Herrschaftsrechte.

Gewisse Klischees vom finsteren Mittelalter haben der Fron einen Beigeschmack von Knechtschaft und Unterdrückung mitgegeben. In Emendons Reich wird sie nicht so wahrgenommen. Sicherlich leistet niemand gern seinen Dienst auf den Feldern oder dem sonstigen Besitz des Grundherrn ab. Die häufigsten rechtlichen Streitigkeiten, mit denen Grundherren konfrontiert werden, betreffen wahrscheinlich die Details der ihnen zustehenden Arbeitsleistungen. Doch es gibt einen breiten Konsens durch alle Schichten dafür, dass diese Arbeit grundsätzlich nötig und gerechtfertigt ist, damit der Grundherr seine Schutzpflichten erfüllen kann. Darüber hinaus leisten wohlhabendere Bauern diese Arbeit nicht persönlich ab, sondern schicken Knechte, Mägde oder Hörige.

Die Pflicht der Freien, Kriegsdienst zu leisten, kann in der Praxis gewisse Ähnlichkeiten zum Frondienst haben, folgt aber einer anderen Logik. Stammesoberhäupter und Grafen der Arbonier haben seit je her viel Wert darauf gelegt, dass sie es sind, denen die Freien Kriegsdienste schulden, nicht die Grundherren. Diese sind aus dieser Perspektive nur dafür zuständig, die taktische und logistische Umsetzung gräflicher Rechte zu gewährleisten. Der heutige Graf und Hochfürst ruft diesen Umstand genauso gerne durch regelmäßige Heerversammlungen ins Gedächtnis, wie es auch schon seine Vorgänger taten. Sicher greifen die Grundherren auch für ihre persönlichen Fehden und privaten Raubzüge auf die Wehrpflichtigen ihrer Gerichtsbezirke zurück. Doch verpflichten können sie sie nicht dazu, die Stammeskrieger werden hier nur freiwillig aktiv.

Nun gibt es eine wachsende Schicht armer Pächter, von denen kein Graf und kein Grundherr realistischer Weise erwartet, persönlich zu kämpfen, so es denn nicht ums eigene Gut und Leben geht. Diese Leute werden einerseits als Reserve für den Verteidigungsfall angesehen. Andererseits lässt man sie immer öfter ihren Kriegsdienst als Arbeitsleistung erfüllen. Doch im Unterschied zu Frondiensten (die ausdrücklich dafür da sind) gilt es als schmählicher Rechtsbruch, wenn der Grundherr sich dadurch persönlich zu bereichern versucht. Wenn Kriegsdienst als Arbeit abgeleistet wird, geschieht das vor allem beim Bau und Unterhalt von Befestigungen, Straßen, Stallungen, etc. sowie durch die Ausübung spezialisierten kriegsrelevanten Handwerks und ist Bestandteil zentraler strategischer Planung durch den Grafen.

Der Siebte Teil

Am ehesten mit heutiger flächendeckender Gewinnbesteuerung vergleichbar ist "der Siebte Teil", der nur in der Grafschaft Arbon erhoben wird. Er wird auf sämtliche Ackerbauerträge, Verkaufsgewinne an Markttagen sowie die Entlohnung von Fährleuten erhoben. Erträge aus Weidewirtschaft werden nur indirekt, nämlich an Markttagen erfasst. Damit setzt diese Abgabe vornehmlich an den Punkten des Wirtschaftskreislaufs an, die für die gräfliche Verwaltung relativ leicht zugänglich sind.

Was ist das für eine "gräfliche Verwaltung", die diese Abgabe einzieht? Es handelt sich dabei um in den großen Klöstern, Tempeln und Orden organisierte Geistliche, die im Gegenzug für diese Dienste die Garantie des Grafen für ihre Versorgung und das materielle Wohlergehen ihrer Einrichtungen sowie gewisse politische Mitspracherechte erhalten. Dieses Bündnis entstand während der Kanzlerherrschaft, als die großen arbonischen Glaubenszentren um die gesellschaftspolitische Dominanz der Siebenfaltigkeitslehre fürchteten. Es hat sich stets bewährt. Ohne das spirituelle Prestige der Geistlichen hätte Emendon vielleicht hartnäckigen Widerstand bei der Durchsetzung dieser neuen Abgabe befürchten müssen. Nicht umsonst nennt man es den Siebten Teil – man rechtfertigt ihn damit, dass ein Siebtel der Ernte den Göttern gehört und für den Erhalt ihrer Häuser aufgewendet wird.

Das entspricht durchaus der Wahrheit. Zur vollständigen Wahrheit gehört allerdings auch, dass ein gewaltiger Anteil dieser Einnahmen direkt oder indirekt an die Danason-Brüder gehen, die neben ihren Aufgaben im Priester- und Pilgerschutz zugleich die Rolle der Haustruppe des Grafen von Arbon erfüllen. Wenngleich dieser Umstand einigen lokalen Oligarchen und anderen Edlen vielleicht nicht gefällt, ist ihnen das lieber, als die Einkünfte des Siebten Teils direkt in den Händen von Äbten und Tempelvorstehern zu sehen. Die Forderung nach seiner Abschaffung würde in der öffentlichen Meinung inzwischen als ein eklatanter Mangel an Frömmigkeit gewertet werden.

Der Siebte Teil beläuft sich nicht auf ein exaktes Siebtel der Erträge. Seine Höhe basiert auf Schätzungen, die eher unter 14% des Jahreseinkommens liegen und regelmäßig aktualisiert werden. Das Gewähren von Nachlass für Haushalte in wirtschaftlich prekärer Lage ist ein normaler Vorgang. Von den Bauern wird der Siebte Teil in den Wochen nach dem Erntefest erhoben, nachdem die Grundherren ihre Tribute erhalten haben und der Pachtzins abgegolten ist. Er wird natürlich in Naturalien bezahlt. Die Schätzungen der in Bargeld zu leistenden Abgaben orientieren sich an den Marktgebühren der mit Marktrechten ausgestatteten Ortschaften und an den Einkünften aus den Fährpachten der mit Flussschifffahrtsprivileg ausgestatteten Barone. Die Fährleute und die entsprechenden Barone leisten ihre Abgabe gleichzeitig mit den Bauern nach dem Erntefest, während die Marktabgaben direkt an den Markttagen selbst erhoben werden.

In der Ostprovinz wird eine dem arbonischen Siebten Teil vergleichbare Abgabe erhoben, der sogenannte Zehnt. Er wird im Namen des Senneschals der Ostprovinz von den beiden Baronen eingezogen, lässt Verkaufserträge an Markttagen und Transportgewinne außen vor, bezieht sich aber auf sämtliche Agrarerträge (inklusive Weidewirtschaft) ab dem dritten Erntejahr eines jeden Siedlerhaushaltes. Die ersten beiden Jahre sind für jeden Siedler abgabenfrei – wenn man mal von Marktgebühren und Frondiensten absieht.

Der Zehnt wird nicht von Geistlichen geschätzt, sondern von den Verwaltern der lokalen Oligarchen selbst. Die vergleichsweise übersichtlichen Verhältnisse der Ostprovinz erlauben das. Die Einnahmen daraus erlauben den Unterhalt der gemeinsamen Haustruppe der beiden Barone, der Ritter vom Felsenturm, sowie diverser Burgen und städtischer Befestigungsanlagen.

In Altberg gibt es nichts Vergleichbares. Doch die Einkünfte, die Marschall und Hochfürst dort aus Zöllen, Mauten und Marktgebühren bekommen, gleichen das mehr als aus.

Zoll, Maut und Marktgebühren

Frühere Stammesoberhäupter sammelten ihre Tribute noch durch mittelbare oder unmittelbare Gewaltandrohung ein, indem sie mit bewaffnetem Gefolge durch Längstal und Steppe zogen. Doch die Einkünfte, die sie auf diese Weise zusammenbrachten, gingen kaum über den Versorgungsbedarf ihrer Gefolgsleute hinaus. Schon Ardor I. fühlte sich also veranlasst, ausländische Abgabenkonzepte zu adaptieren. Mit der Zeit wurden die Tribute, die dem Staatsoberhaupt von seinen Vasallen zustanden in symbolische Gesten umgewandelt. Dafür setzte die staatliche Abschöpfung vermehrt an den großen Marktplätzen und den wichtigsten Verkehrswegen an.

Heute kann man im arbonischen Staat längst nicht mehr einfach irgendwo oder irgendwann Markttag abhalten. Seit Wastans Herrschaft werden Marktrechte als hochfürstliches Privileg vergeben und spätestens seit Karoman II. wird die Gültigkeit dieser Privilegien (oder eher das Verbot aller anderen Markttage) auch durchgesetzt. Ortschaften mit Marktrechten liegen stets so weit voneinander entfernt, dass sie sich untereinander keine nennenswerte Konkurrenz machen können. Jeder dieser Orte hat einen Marktherrn, der Marktgebühren einziehen darf, vom lokalen Oligarchen des Marktortes bestimmt wird (oft er selbst) und die Sicherheit und Rechtmäßigkeit der Geschäfte sicherzustellen hat. Von den Marktgebühren führt der Marktherr dann einen festgelegten Anteil an den Hochfürsten ab. Die Höhe dieses Anteils variiert, ist aber stets mehr als nur nennenswert.

Die wichtigsten Markttage finden an folgenden Orten statt:

  • Nordern
    • Dort waren früher die Hochfürsten bzw. der Erzkanzler selbst Marktherr, heute übernimmt diese Position der Hochtempel des Riasion. Dieser führt trotz der Reichsteilung nach wie vor die festgelegten Anteile an Hochfürst und Hochfürstin ab.
  • Die Siedlung Argaine
  • Der Flusshafen von Burg Bärenfels
  • Caernadun
  • Altburg
  • Drachenport
  • Tinarport

Eine weitere extrem wichtige Bargeldquelle des Staatsoberhauptes besteht in Zöllen und Mautgebühren. Sie unterscheiden sich voneinander eigentlich nur dem Namen nach – Zölle sind kein wirtschaftspolitisches Instrument im neuzeitlich-protektionistischen Sinne, sondern schlicht eine Einkommensquelle für Herrscher und Amtleute. An wichtigen Engstellen der großen Verkehrswege zieht ein Zoll-, Brücken- oder Burgvogt Gebühren von Durchreisenden ein.

Die Höhe dieser Gebühr wird anhand eines Katalogs bemessen mit dem man versucht, Durchreisenden mit höherem Warenwert auch ein höheres Entgelt zu berechnen. Aber natürlich handelt es sich um abgestufte Festsätze, nicht um dynamisch berechnete Summen. Sie werden jährlich anhand der Preislisten des Vorjahres des nächstgelegenen Marktplatzes geschätzt und schriftlich im Wegerecht festgehalten. Für diese Aufgabe haben die großen Klöster spezielle, nur dafür zuständige Kanzler.

Verschiedenste Grundherren und Amtleute sind damit betraut, Zölle und Mauten zu erheben. Manchmal sind diese Rechte mit lokalen Grundherrenrechten verbunden und fester Bestandteil eines Ritterlehens (z. B. der Brückenvogt von Parvynsbrück), manchmal handelt es sich um Ämter, die der Hochfürst mehr oder weniger frei vergeben kann (z. B. das Amt der Wächterin des Ehernen Pfades).

Es ist nicht einheitlich geregelt, wie hoch der Anteil des Hochfürsten an den Einkünften jeweils ist (eben stets "mehr als nennenswert"), aber alle Zoll- und Mautrechte sind urkundlich festgehalten und die Einhaltung der Bestimmungen wird nicht nur bei gerichtlichen Klagen von Durchreisenden, sondern auch in Stichproben von den Danasonbrüdern oder von gräflichen Kanzlern geprüft – wenn auch kaum in der Ostprovinz, so doch wenigstens in Altberg und Arbon.

Die wichtigsten Zoll- und Mautaufkommen kommen aus:

  • Dem Tinarischen Kanal,
  • den befestigten Straßen Altbergs,
  • und dem Ehernen Pfad.

Daneben gibt es das Flussschifffahrtsprivileg der Barone von Arden und Garesch: Nicht jeder darf einfach Fährmannsdienste anbieten, sondern nur die, die jeweils einem der Barone Pacht dafür bezahlen. Auch die Zahl an Booten und Fährleuten, die die Barone jeweils unter Vertrag nehmen dürfen, ist genau festgelegt. Selbst für die Preise, die die Fährleute für ihre Transportdienstleistungen verlangen dürfen, gibt es gräflich bestimmte Ober- und Untergrenzen, um Wucher und Preiskampf zu verhindern. Die Pachteinkünfte aus dem Flussschifffahrtsprivileg gehen abzüglich des Siebten Teils an die Barone und erlauben zugleich auch die Abgabenerhebung bei den Fährleuten im Rahmen des Siebten Teils (es werden also sowohl das Einkommen der Fährleute, als auch die Pachteinkünfte der Barone besteuert).

Der Vollständigkeit halber sei noch eine weitere Bargeldquelle des Hochfürsten erwähnt: Trigardon betreibt seit seiner Gründung eigene Münzprägung. Die Basis dafür sind die Silbertribute des Kleinen Volkes. Diese Tribute waren nie besonders hoch und es ist keinem Herrscher bislang ernsthaft in den Sinn gekommen, Bergbaurechte zu monopolisieren. Die Zwerge und Menschen, die im Dugor Harog Silber und Erze aller Art abbauen, wissen ihre gewohnten Rechte auf die Erträge sehr gut zu verteidigen. Die Münzprägestätten im Hochtempel des Riasion und im Kloster des Riason haben jedem trigardonischen Herrscher einen stetigen Geldzufluss beschert. Er war aber nie sehr groß.

Staatshaushalt

Es ist etwas gewagt, bei Emendons Reich von einem "Staatshaushalt" zu sprechen. Der Reichtum des Hochfürsten, seiner Amtleute und der Grundherren setzt sich stets gleichzeitig aus staatlichen Abgaben und aus eigenem Grundbesitz zusammen, sie haben also sowohl "privates", als auch "öffentliches" Einkommen. Doch niemand käme auf die Idee, eine strikte Trennung zwischen Beidem zu verlangen. Die "Privatvermögen" des Hochfürsten, der Amtleute und der Grundherren sind nämlich zugleich die Staatskasse. Oder andersherum: So lange Hochfürst, Amtleute und Grundherren ihre Rolle im Gemeinwesen zufriedenstellend erfüllen, kümmert es niemanden außer ihnen selbst, ob sie "Privatvermögen" zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben aufwenden müssen oder sie sich an "Staatsvermögen" bereichern.

Welche Aufgaben sind das? Neben den Aufgaben, die Grundherren und lokale Oligarchen im Kontext der regionalistischen Strukturen zu erfüllen haben, sind auf ihrer Seite einige kostspielige Einzelfälle zu erwähnen:

  • So sind es Marktherren und Zollvögte, die für die Sicherheit und Pflege von Verkehrswegen und Marktplätzen zu sorgen haben; inklusive der Besoldung und Versorgung von dafür evtl. notwendigen Reitern oder Stammeskriegern und inklusive Ausbesserungsarbeiten von Straßen oder städtischen Befestigungsanlagen.
  • Die Barone der Ostprovinz müssen Bau, Unterhalt und Bemannung einiger Kriegsschiffe bestreiten.
  • Die Wächterin des Ehernen Pfades muss eine Reiterstaffel mit Posten von Burg Bärenfels bis zur Altburg besolden und ausrüsten, auch wenn sie für die Ausbesserung der Straße und der Stallungen auf Arbeitsleistungen im Rahmen der Wehrpflicht zurückgeifen darf.
  • Alle lokalen Oligarchen müssen stets gut gefüllte Getreidespeicher, Salz- und Nahrungsmittellager vorweisen können. Damit dürfen und sollen sie der Bevölkerung in Krisenzeiten helfen. Sie sind aber eigentlich zur Versorgung des Heeres im Kriegsfall gedacht.

Welche öffentlichen Ausgaben hat der Hochfürst zu bestreiten? Erstens ist er selbst der lokale Oligarch in der Baronie Erlenfels und teilt sich mit den von ihm eingesetzten gräflichen Vögten diese Stellung in den Baronien Rhack und Argaine. Daraus erwachsen ihm natürlich auch alle Pflichten und Ausgaben der lokalen Oligarchen.

Zweitens hat er die wichtigsten "zentralstaatlichen" Ausgaben zu tätigen. Das sind in absteigender Reihenfolge die Folgenden:

  • Die Besoldung und Versorgung der Grenzläufer sowie Bau und Erhalt ihrer Einrichtungen. Auch wenn er dabei auf Arbeitsleistungen im Rahmen der Wehrpflicht zurückgreifen kann, sind das die mit Abstand größten Ausgaben, die der Hochfürst zu tätigen hat.
  • Die Versorgung der Danason-Brüder und der Erhalt ihres Klosters und sonstigen Einrichtungen.
  • Die Versorgung der anderen Klöster und Tempel des Reiches. Damit steht er nicht alleine da. Von allen Wohlhabenden werden Spenden erwartet und die Klöster tätigen durchaus eigene gewinnträchtige Geschäfte im Bereich des Kunsthandwerks, Opiumhandels und Geldverleihs. Doch sollte es den Häusern der Götter sichtbar an irgendetwas mangeln, würde man an erster Stelle den Hochfürsten dafür verantwortlich machen.
  • Der Unterhalt eines hochfürstlichen Haushaltes in jeder größeren Siedlung Arbons und Altbergs, um bei seinen Reisen über das Land dort Hof halten zu können.
    • Neben Burg Bärenfels,
    • den Schulen des Ischan,
    • dem Stammsitz der Sippe am Erlenfels,
    • dem Kloster des Heiligen Danason,
    • dem Kloster des Riason und
    • dem Hochtempel des Riamodan
    • sind das je ein Haushalt in Argaine,
    • Caernadun,
    • Altburg
    • und Nordern, auch wenn er Letzteren seit der Reichsteilung nicht mehr persönlich aufgesucht hat.
  • Die Versorgung des Reisegefolges, Besoldung von Hofämtern (z. B. Mundschenk, Kammerherrin, Seneschall), Unterhalt und Sold von Dienstleuten (z. B. Kanzler, Reiterbote oder Dienstritter). Dazu sei erwähnt, dass die Besoldung von Hofämtern eher als Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeiten denn als "Beamtensold" oder "Pension" zu verstehen ist.
  • Das Bestücken von gräflichen Waffenkammern und das Zurückhalten eines vorzeigbaren Schatzes als Reserve. Das erwartet man einfach vom Staatsoberhaupt, auch wenn seine reelle materielle Lage eher wenig damit zu tun hat, wie viel Gold und Silber nun konkret in seinen Truhen liegt.

Soviel also zur Ausgabenseite. Wie knapp ist der Hochfürst also bei Kasse? Alles in Allem ist seine materielle Lage nicht schlecht. Die Kosten für die Grenzläufer sind mit der Reichsteilung nochmals stark gestiegen, doch die Einnahmen durch die Zölle und Marktgebühren der Ostprovinz und Altbergs mindestens ebensosehr – immerhin muss Emendon diese Einnahmen nicht mehr mit der Hochfürstin teilen. In den letzten Jahren wuchs der Fürstenschatz.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass Emendon zugleich auch ein lokaler Oligarch ist – eine seiner wichtigsten Geldquellen besteht im Export von Agrarerzeugnissen, sowohl derer des eigenen Grundbesitzes, als auch derer aus dem Siebten Teil. Schlechte Ernten im Längstal von Arbon würden ihn dreifach treffen: Es käme zu Ausfällen auf den eigenen Gütern, zu Ausfällen beim Siebten Teil und zu Ausfällen bei Maut- und Marktgebühren, weil die Leute weniger verkaufen und mehr für sich behalten würden. Wirklich schlechte Ernten hat man zwar im Längstal seit Menschengedenken nicht mehr erlebt, doch die Priester mahnen, dass man die Möglichkeit fürchten sollte. Auch der Verlust von zu vielen ostprovinzalischen Schiffen auf einmal würde die Schatzkammern wohl empfindlich treffen, denn die Zoll- und Marktgebühren aus der Ostprovinz sind angeblich märchenhaft hoch. Das Umfeld des Hochfürsten hatte nun schon einige Jahre Zeit, um sich an diese Einkünfte zu gewöhnen. Der finanzielle Spielraum des Herrschers ist also geringer, als sein Reichtum es vermuten lässt.

Wie schlimm sind Verluste durch Korruption und Unterschlagung? Modern gesprochen: Ziemlich schlimm. Die vielen verschiedenen unübersichtlichen Formen der Abgabenerhebung laden förmlich dazu ein, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern. Natürlich ist es verboten, den Hochfürsten, seine Amtleute oder die Grundherren um ihren Anteil zu betrügen. Das steht sogar auf einer Stufe mit Diebstahl, könnte beträchtliche Bußgelder und theoretisch sogar drakonische Leibstrafen nach sich ziehen. Doch dazu kommt es kaum. Wie bei so vielen Dingen im arbonischen Staat, verlässt sich das System hier auf das Unrechtsbewusstsein der Menschen. In erster Linie hält die Furcht vor Schande Leute davon ab, Abgaben zu prellen. Das bedeutet in der Praxis aber auch, dass es ein Jeder in dem Maße tut, in dem es nicht so auffällt. Und das lässt sich nicht hart bestrafen, man muss es hinnehmen.

Hier geht es weiter zum nächsten Teil, der politischen Gruppenbildung.