Übersicht staatliche Strukturen

Aus Trigardon
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Diese Übersicht ist noch work-in-progress. Es fehlt der letzte Abschnitt, in dem es um Entscheidungsfindung und Konfliktführung gehen wird.

Die Druckversion eines Readers zu den staatlichen Strukturen von Emendons Reich ist hier: Datei:Der Arbonische Staat (Betaversion).pdf

Was heißt für Emendons Reich eigentlich "mittelalterliche Elemente"?

  • Die geschichtlichen Begriffe, die wir im Spiel ("Vasall", "Baron" etc.) oder zur OT-Beschreibung unseres Hintergrundlandes ("Mittelalter", "Feudalismus" etc.) verwenden, sind nicht wissenschaftlich/lexikalisch belastbar. Sie sollen vor allem Assoziationen wecken.
  • Trotzdem sollte man sich regelmäßig mit den eigenen Inspirationsquellen auseinandersetzen. Sonst geht man ohne es zu erkennen den ganzen komischen Mittelaltermythen auf den Leim, die im Umlauf sind. Fantasy darf sich natürlich immer dafür entscheiden, historische Mythen den geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen vorzuziehen. Das sollte aber dann nicht versehentlich geschehen, sondern eine bewusste Entscheidung sein.
  • Für unsere Zwecke definieren wir die eigene Fantasy-Version eines Staates, der mit der realen Geschichte ziemlich wenig zu tun hat, den wir der Einfachheit halber aber trotzdem "feudalistisch" nennen.
  • Die Beschreibung dieser Staatsform soll ohne viel Geschichtswissen verständlich sein und ihr Verständnis hilft auch überhaupt nicht dabei, sich reales Geschichtswissen anzueignen.

Was ist der arbonische Staat und was macht ihn aus?

  • Seit Anfang 2011 (IT: 36 n. K.) gibt es zwei Trigardons. Beide Staaten nennen sich offiziell "Hochfürstentum Trigardon". Das "Reich des Hochfürsten"/ "Emendons Reich" ist der arbonische Staat. OT nennen wir ihn "Staat", IT sagen wir aber "das Reich", um seinen unmodernen Charakter zu betonen. Hier mehr dazu
  • Der arbonische Staat wurde nicht am Reißbrett geplant. Der historische Zufall hat eine Fülle unterschiedlichster Organisationsmuster hervorgebracht. Sie ergänzen sich meistens, geraten aber auch miteinander in Widersprüche. Alle finden das ganz normal.
  • Überall findet man gleichzeitig regionalistisch-aristokratische UND autoritär-zentralistische Tendenzen. Alle Gruppen und Politiker sind Teil beider Tendenzen, Niemand kann nur "Regionalist" oder nur "Zentralist" sein.
  • Wirtschaft: Agrarproduktion ist wichtiger als Handel und Handwerk. Subsistenzwirtschaft (Selbstversorgung) ist wichtiger als Marktwirtschaft. Geld regiert nicht die Welt.

Regionalistische Strukturen

  • Der arbonische Staat besteht aus (momentan) 10 semi-autonomen Verwaltungsbezirken. Die Meisten davon nennt man "Baronie". Sie können die meisten nicht-militärischen Probleme selber lösen. Daher ist jeder Bezirk politisch ungefähr gleich wichtig. Mehr dazu hier.
  • In jedem dieser Bezirke gibt es einen besonders reichen Haushalt (eigentlich ein Netzwerk von Höfen). Das ist der mächtigste Wirtschaftsfaktor im Verwaltungsbezirk.
  • Der Vorstand dieses Haushaltes ist der Chef des ganzen Bezirks. Meistens ist das ein Baron, oft aber auch was Anderes ("Vogt", "Marschall", etc.). Zur Verdeutlichung der wirtschaftlichen und politischen Rolle dieses Chefs nennen wir ihn OT (niemals IT!) den "lokalen Oligarchen".
  • Der lokale Oligarch ist Vorgesetzter aller Richter und militärischer Befehlshaber über die Wehrpflichtigen seines Bezirks. Daneben unterhält er eine Haustruppe aus semi-professionellen Kriegern und setzt Freunde und Verwandte als Verwalter seines weitläufigen Besitzes ein.
  • Die wirtschaftlichen Verflechtungen jedes Verwaltungsbezirkes sind so gestaltet, dass der Haushalt des lokalen Oligarchen die anderen Wirtschaftsteilnehmer weniger braucht als umgekehrt.
  • Neben den lokalen Oligarchen gibt es noch zwei weitere Klassen, die wirtschaftlich und militärisch ins Gewicht fallen: "Grundherren" und "Grundbesitzer". Eigentlich gehören die lokalen Oligarchen selber zur Klasse der Grundherren. Und eigentlich sind alle Grundherren gleichzeitig auch Grundbesitzer.
    • Grundbesitz kann man nicht kaufen oder verkaufen, sondern nur (ver-)erben oder (ver-)pachten.
    • Nicht der Boden an sich gehört Jemandem, sondern nur die Rechte, ihn zu nutzen. Im Fall von Ackerland merkt man den Unterschied nicht, da sind das Grundstücke wie heute. Aber an Weideland, Wasserwegen, Wäldern etc. können mehrere Parteien die gleichen Rechte haben und pflegen meist seit langer Zeit überlieferte Kompromisse. Aber oft gibt es auch Streit.
  • Grundherren sind dem lokalen Oligarchen untergeordnete Edle, die (genau wie er selber) Richter, militärischer Befehlshaber und Grundbesitzer in Einem sind.
  • Die anderen Wirtschaftsteilnehmer akzeptieren die Stellung des lokalen Oligarchen, solange dieser nicht versucht, sich an ihrem Besitz zu vergreifen. Versucht er das, nimmt sein Ruf Schaden. Versucht er das mit Gewalt, rechtfertigt das einen Aufstand. Weil alle das wissen, kommt es eigentlich nie zu solchen Versuchen. Hier mehr dazu
  • Es gibt einen ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag: Die Reichen haben sich um die weniger Reichen ihres sozialen Verbandes zu kümmern und die weniger Reichen den Reicheren dafür dankbar zu sein. Dieser Vertrag wird eingehalten und sorgt dafür, dass Autorität respektiert wird.
    • Leibeigene, Knechte, Mägde, Kinder und sonstige Angehörige des Haushaltes müssen von ihrem Haushaltsvorstand sozial abgesichert werden. Sippenoberhäupter müssen die anderen Haushaltsvorstände ihrer Sippe in Notlagen unterstützen, Grundherren müssen notfalls den Haushalten in ihrer Grundherrschaft helfen und lokale Oligarchen müssen ihren Vasallen (die anderen Grundherren) beistehen. Durchs Netz fallen evtl. Tagelöhner bzw. Fremde.
  • Die lokalen Oligarchen "investieren" mehr als alle Anderen in Dinge von "öffentlichem Interesse" (Getreidespeicher, Burg, Tempel, Brücke etc.). Es ist normal, dass sie damit auch Vorrechte auf diese Dinge haben. Das gilt in Trigardon nicht als korrupt.
  • Die lokalen Oligarchen müssen sich "ehrenhaft" verhalten, um von der Bevölkerung ihres Verwaltungsbezirkes respektiert zu werden.
  • Die Bevölkerung hat zwar kein Radio, keine Zeitung und kein Gemeindeparlament, um über die Ehrenhaftigkeit des lokalen Oligarchen zu verhandeln. Aber Dinge wie Volksfest, Markttag, Herdsegen, Gemeinschaftsgebet und nachbarschaftlicher Buschfunk erfüllen diese Zwecke in trigardonischen Augen ganz gut.

Politische Kultur

  • Der Stamm der Arbonier war ursprünglich ein Kriegsbündnis. Seine gemeinsamen Institutionen entstammen dem militärischen Bereich.
  • Kriegserfolge und Friedenszeiten ermöglichten die Entwicklung einer arbonischen politischen Kultur.
  • Diese Kultur pflegt autoritäre Ideale (starker Führer, tapfere Elite, gehorsames Volk).
  • Es gibt keine ausgefeilten staatsphilosophischen Konzepte. Glaubenslehren, Mythologie, historische Erfahrung und die Überlieferung der Ahnenkulte sagen den Menschen, was Recht und Sitte ist.
  • Auch für die nicht-arbonischen Edlen und Volksgruppen in Emendons Reich gelten heute die Werte und Normen der arbonischen politischen Kultur.
  • Recht und Sitte stellen drei Hauptforderungen an das Wesen des Staates. 1: Trigardon muss überhaupt existieren, um die Gültigkeit von Recht und Sitte zu garantieren. 2: Die Lehren der Siebenfaltigen Religion müssen Vorrang vor allen anderen Denksystemen haben. 3: Die Zustände müssen (im Sinne der Religion) möglichst "gerecht" sein.
  • Auf den ersten Blick erfüllt der arbonische Staat die Forderungen seiner politischen Kultur. Aber die Reichsteilung verursacht ideologische Unsicherheiten und die lange Abwesenheit größerer Kriege (man sollte das nicht "Frieden" nennen...) macht die Edlen etwas nervös. Daneben ist die Nachfolgefrage des Hochfürsten zur Zeit noch offen.
  • Recht und Sitte sind nicht starr, sondern werden permanent neu verhandelt. Um in diesem Verhandlungsprozess ernst genommen zu werden, muss man aber seinen Argumenten den Nimbus des Altehrwürdigen verleihen.
  • Wer konservativer wirkt, dem gibt man meistens Recht. Aber noch wirksamer kann es sein, mit zeitlosen religiösen Wahrheiten zu argumentieren (solange es auch geglaubt wird).
  • Die Grundbesitzer sind eher "konservativ", der Klerus ist eher "reformerisch".

Staat und Klerus

  • Priester/innen sollen dem Gemeinwohl (göttliches) Glück bringen. Damit haben sie die Aufgabe, dem Staat zu dienen.
  • Tempel und Klöster in Emendons Reich haben fast keinen Grundbesitz. Sie sind materiell komplett von Adel und Herrscher abhängig. Sie gelten quasi als staatliche Einrichtungen und erfüllen viele öffentliche Aufgaben (Post, Zeitung, Schule, Krankenhaus). Nur ist das nicht kostenlos und auch keine flächendeckende Grundversorgung.
  • Die drei größten Tempel und Klöster (Kloster des Riason, Kloster des Heiligen Danason, Hochtempel des Riamodan) sind auch Verwaltungszentren und temporärer Regierungssitz.
  • Die Geistlichen stellen ein Netz der Informationsweitergabe vom Herrscher zum Volk dar (Herrscherwort wird vervielfältigt und bei Gemeinschaftsgebeten verlesen).
  • Die meisten Geistlichen dürfen keine Krieger sein. Es gibt aber auch Cirkater, kriegerische Geistliche, die die göttliche Ordnung schützen sollen.
  • Geistliche und ihre Einrichtungen sind die wichtigsten Symbole des Gemeinwesens. Das Staatsoberhaupt muss als Beschützer des Glaubens auftreten. Deshalb braucht es die Autorität über den Cirkaterstand.
  • Die Bruderschaft des Heiligen Danason ist der einzige Cirkaterorden des Reiches. Der Hochfürst ist sein Ordensmeister. Der Orden hat die Doppelfunktion "Schwert des Glaubens" und "Haustruppe des Herrschers". Das findet man wichtig, nicht heuchlerisch.
  • Man überlässt Priester/innen nicht die politisch/militärische Führung über Cirkaterstreitkräfte (oder sonstige Truppen).
  • Der Hochfürst hat mit den Danason-Brüdern zwar ein Drohmittel, kann es aber nur nach den Regeln des Glaubens und des Rechts einsetzen. Sonst wäre der Prestigeverlust des Ordens zu groß.

Gerichtsbarkeit

  • Geschriebene Gesetze sind eher Richtlinien. Mündlich überlieferte Rechtsgewohnheiten und die religiösen Gerechtigkeitsideale sind die wichtigste Leitschnur der Rechtsprechung. Hier mehr dazu
  • Nach siebenfaltiger Lehre soll Gerechtigkeit unter den Menschen die Götter gewogen stimmen (Gerechtigkeit ist sakral) und einen stabilen Interessenausgleich schaffen (Schlichtung ist wichtiger als Strafe). Einzelinteressen werden Gruppeninteressen untergeordnet und Vergehen gegen das Gemeinwohl sind schlimmer als Vergehen gegen Individuen. Hier mehr dazu
  • Es gibt kein Gewaltmonopol des Staates. Jeder Einzelne hat die Aufgabe, dem Recht (notfalls auch mit Gewalt) Geltung zu verschaffen. Viele Formen von Selbstjustiz werden akzeptiert.
  • Daher ist es sehr wichtig, zu einer Gruppe zu gehören, dessen Mitglieder zur Solidarität verpflichtet sind. Man nimmt Rachepflichten füreinander wahr und steht sich in Fehde bei.
  • Solche Konflikte werden nicht bis zum bitteren Ende ausgetragen (Rache dient der Abschreckung, Fehde der Ansage, dass man es auch ernst meint). Eher früher als später lässt man sich auf Schlichtung ein.
  • Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb der Sippe regelt die meisten alltäglichen Konflikte. Hier kann ein Sippenoberhaupt auch einen Angehörigen verstoßen (>Sippenlosigkeit). Hier mehr dazu
  • Grundherren sind Richter in ihrer Grundherrschaft. Sie können Freie und Hörige ihres Gerichtsbezirkes zur Vogelfreiheit verurteilen und Durchreisende in Haft nehmen. Lokale Oligarchen können Urteile der anderen Grundherren ihres Verwaltungsbezirkes revidieren. Hier mehr dazu
  • Gräfliche Gerichtsbarkeit kann Urteile lokaler Oligarchen revidieren. Sie kann auch Todesurteile fällen und sogar Edle verurteilen. Hier mehr dazu
  • Das Tribunal ist nominell das höchste Gericht. Es ist als Schiedsgericht zwischen den Stämmen bzw. Reichsteilen gedacht und kann als einziges Gericht Grafen verurteilen. Hier mehr dazu

Abgabenerhebung und Staatshaushalt

  • Es gibt drei Ebenen der Abgabenerhebung: Abgaben der Freien in lokalen Grundherrschaften (Tribut und Fron), Abgaben in den Grafschaften (Siebter Teil und Zehnt) und Abgaben aufgrund hochfürstlicher Hoheitsrechte (Zoll, Maut, Marktgebühren). Hier mehr dazu
  • Im Rahmen der lokalen Grundherrschaften sind Tribute vor allem psychologisch wichtig, wertvoller sind die Frondienste. Außer bei den Nomaden, da ist das Verhältnis umgekehrt.
  • Nicht mit Fron verwechseln sollte man es, wenn Leute ihren Kriegsdienst in Form von Arbeitsdienst ableisten, statt selber zu kämpfen.
  • In Arbon und der Ostprovinz gibt es eine Art Einkommenssteuer, in Altberg nicht.
  • In Arbon nennt man das "Siebten Teil" und rechtfertigt es als Kirchensteuer, die auch von den großen Tempeln und Klöstern für den Grafen eingezogen wird.
  • In der Ostprovinz nennt man das "Zehnt", muss es nicht weiter rechtfertigen und braucht auch keine geistliche Infrastruktur, um ihn einzuziehen. Die Barone kriegen das selber hin.
  • Man kann nicht einfach Markt halten, wenn man kein hochfürstliches Privileg dafür hat. Hat man es, gibt es einen Marktherrn, der Marktgebühren einzieht, die er dann mit dem Hochfürsten teilt. So läuft das auch mit Zollstationen, Brücken, Häfen, etc. Hier mehr dazu
  • Die Vermögen von Herrscher und Adel werden nicht fein säuberlich in "Staatskasse" und "Privatvermögen" getrennt. Entweder schafft man es, seine öffentlichen Aufgaben kostendeckend oder mit Gewinn zu erledigen, oder man muss halt mit Privatvermögen nachlegen.
  • Auf der Seite des Hochfürsten sind vor allem Truppen, Klöster und Hofhaltung zu finanzieren. Das kriegt er auch ganz gut hin, aber schlechte Ernten könnten das schnell ändern.
  • Korruption ist ein Problem, das man leider im ganzen Reich hinnehmen muss.

Politische Gruppenbildung

  • Treue zum persönlichen Netzwerk ist wichtiger als Treue zu einer ideologischen Linie. Es gibt zwar einen ideologischen Rahmen für zulässige politische Positionen, aber in Emendons Reich ist dieser Rahmen unstrittig. Wichtige Rechts- und Geschäftsbindungen sind nicht einfach nur abstrakt vorhanden, sondern personalisiert. Sie sind immer auch soziale Bindungen. Ritualpolitik ist das Herzstück politischer Kommunikation und Konsensbildung. Hier mehr dazu
  • Sippenzugehörigkeit gilt zwar als die wichtigste soziale und politische Kategorie. Der Sippenverband wird dem aber nur gerecht, wenn er erfolgreich Klientelpolitik betreibt.
  • Sippenhäupter müssen generationenübergreifend die reichsten Sippenmitglieder sein, um erfolgreich Klientelpolitik betreiben zu können, denn sonst besteht das Risiko, dass die Sippe sich aufspaltet oder auflöst.
  • Für Adelige in der Ostprovinz und in Altberg (wo man nicht in Sippenverbänden lebt) gibt es den impliziten Druck, in eine edle arbonische Sippe einzuheiraten.
  • Eine Sippe ist "edel", wenn eines ihrer Mitglieder Grundherrenrechte hält. Lehnsherren sind dazu verpflichtet, die gleichen Grundherrenrechte generationenübergreifend in der gleichen Sippe zu belassen.
  • Die Freien einer Grundherrschaft unterliegen einer persönlichen Rechtsbeziehung zum Grundherrn. Weil aber die Grenzen der Gerichtsbezirke in Arbon anhand des Grundbesitzes freier Sippenverbände gezogen werden, wird es oft so wahrgenommen, dass mehrere freie Sippen sich um eine edle Sippe gruppieren.
  • Der Stand der Freien spielt keine politische Rolle im arbonischen Staat. Nur freie Sippenoberhäupter und Reiter haben die Macht, Handlungen ihrer Grundherren und Heerführer zu erschweren oder zu erleichtern.
  • Die Wehrpflicht der Freien ist aus strategischen Gründen und wegen der mit ihr verbundenen sozialen Normen sehr wichtig.
  • Das aktive politische Geschäft erfolgt durch Vertragsabschlüsse von Einzelpersonen. Daraus können Gruppenverpflichtungen werden, wenn die Einzelpersonen Repräsentanten sind. Aber auch dann folgen sie der Logik von Verpflichtungen von Einzelpersonen.
  • Alle nennenswerten politischen Verträge haben eine klientelistische Komponente. Das gehört als "Treue" zum moralischen Verhaltenskodex, selbst wenn es nicht eigens erwähnt wird.
  • Es gibt drei sich überlappende und teilweise gegenseitig bedingende Formen von politischen Verträgen: Vasallenverhältnisse, Lehensverträge und sonstige Formen von Patronage.

Vasallität

  • Beim Vasallenverhältnis gehen zwei ungleiche Partner einen pseudo-familiären, magisch verklärten Bund ein, bei dem sich ein "Vasall" zu "Rat und Dienst" und ein "Patron" zu "Schutz und Hilfe" verpflichtet.
  • Vasallenverhältnisse können in Konkurrenz zur Patronage des Sippenoberhauptes geraten, aber sie können diese Patronage auch ergänzen und absichern. Deshalb wird edlen Sippenoberhäuptern ein Mitspracherecht bei allen Vasallenverbindungen eingeräumt, die ihre Sippenangehörigen eingehen wollen.
  • Die Rechtsbeziehungen, in denen die heutigen Adelstitel stehen, sind durchweg als Verhältnisse zwischen Patron und Vasall gestaltet worden.
  • Es gibt fünf unterschiedliche Formen von Vasallen- und Lehensverträgen, die eine Abstufung von Verpflichtungen erlaubt:
    • Pacht: Lehensvertrag auf Basis materieller Gegenleistungen. Daraus entsteht kein Vasallenverhältnis.
    • Vasallenverhältnis zum Hochfürsten: Gilt für alle Grundherren und alle arbonischen Ritter. Bewirkt grundsätzliche Herrschertreue und kollektive Identitätsbildung. Daraus entsteht kein Lehensverhältnis.
    • "Dienstritterschaft": Ein Ritter stellt sich in den Dienst eines Adeligen und bekommt dafür soziale Absicherung. Das ist ein Vasallen-, aber kein Lehensverhältnis.
    • "Verwaltung": Ist ein Lehensvertrag zwischen "Besitzer" von Grundherrenrechten und "Stellvertreter" des Grundherrn, aus dem nur diesen beiden ein Vasallenverhältnis entsteht.
    • Grundherrschaft: Adelige vergeben Grundherrenrechte untereinander als Lehen, woraus ihnen ein Vasallenverhältnis entsteht. Grundherrenrechte erzeugen immer auch ein Vasallenverhältnis zum Hochfürsten. Es gibt zwei Versionen davon: Erbliche Lehen ("Baronie", "Grafschaft") und nicht-erbliche Lehen (oft "Ritterlehen" genannt).
  • Sehr viele Vasallen haben mehr als einen Patron, was man ganz normal findet. Im Konfliktfall kommt es darauf an, welche Prioritäten gesetzt werden. Von den verschiedenen Formen der Lehns- und Vasallenpflichten bekommen tendenziell diejenigen Priorität, die die größte soziale Abhängigkeit zum Patron herstellen. Das begünstigt die Stellung der lokalen Oligarchen gegenüber den anderen Edlen. Hier mehr dazu

Gruppenbildung im Adelshaushalt

  • Die politische Gruppenbildung findet vor allem in der Sphäre des Haushaltes statt. Weil alle Wirtschaftsteilnehmer in Emendons Reich Subsistenzwirtschaft betreiben, ist der Haushalt gleichzeitig Arbeitsplatz, Wohnraum und Lebenswelt der wichtigsten sozialen Kontakte. In diesem Umfeld sind Rollenverteilung und Pflichten der arbeitsteiligen Hausgemeinschaft fast sowas wie Naturgesetze.
  • Wer sich benimmt wie der Haushaltsvorstand und als solcher von der Hausgemeinschaft respektiert wird, ist der Haushaltsvorstand. Selbst wenn Haus und Grundstück jemand Anderem gehören. Deshalb müssen Lehnsherren ihre Vasallen regelmäßig besuchen und symbolisch Vorrang demonstrieren. Dafür gibt es eine Reihe festgelegter Rituale und Symbolhandlungen.
  • Konflikte innerhalb der Hausgemeinschaft werden, sofern irgendwie möglich, intern gelöst.
  • Lokalpolitik wird nicht an neutralen Orten gemacht, sondern zu Gast bei der Grundherrin. Der Zustand in ihrem Haushalt wird als Hinweis auf den Zustand der ganzen Region gelesen.
  • Man muss in einer Ehe oder zumindest in einer festen Partnerschaft leben, damit die Rollenverteilung im Haushalt ideal besetzt ist und man als Haushaltsvorstand ernst genommen wird.
  • Eine Ehe zwischen Edlen verschiedener Sippen führt mindestens implizit zu einem losen Freundschaftsbündnis zwischen diesen Sippen. Richtig stabil ist das aber erst, wenn beide Sippen mehrfach Ehepartner in beide Richtungen ausgetauscht haben.
  • Konkubinate sind eine Methode, um beide Rollen des Haushaltsvorstands schnell und flexibel zu besetzen.
  • Adoptionen von nicht-Blutsverwandten sind zwar grundsätzlich legal, gelten im Stamm der Arbonier aber immer als etwas "barbarisches" oder "flutländisches".
  • Seit langer Zeit stellen mächtige arbonische Sippen sich gegenseitig Kinder als rituelle Geiseln, um Bündnisse zu bekräftigen. Das sollte man aber nicht mit Kriegsgefangenen verwechseln, denn solche Geiseln werden in den Haushalt integriert und gut erzogen. Sie zu töten (selbst im Fall eines Bündnisbruchs) ist schlimmer als der Mord an einem Gast.
  • Im Fall eines Bündnisbruchs oder Konflikts mit der Sippe der Geiseln muss man sie zurückschicken, bzw. die andere Seite muss sie zurückfordern. Das ist dann als Vorwarnung zu verstehen. Wer gegen diese Konvention verstößt, gilt als Schwächling und verliert Verbündete.
  • Heute gibt es zwar den institutionalisierten Geiseltausch noch, aber man nennt es meistens Knappschaft, Zofendienst, etc. Das sind nur noch teilweise Handlungen, um politische Bündnisse zu bekräftigen. Diese Funktion gibt es zwar noch, daneben hat man aber auch erzieherische und soziale Gründe für solche Verhältnisse.
  • Inzwischen kann quasi jede edle Sippe Pagen, Zofen, Knappen, etc. aus so ziemlich jeder anderen edlen Sippe haben. Das findet man gut so, denn so haben alle einen Grund, sich an die Spielregeln der Konfliktführung zu halten.
  • Religiöse Orden und spirituelle Lehrverhältnisse sind pseudo-familiäre Hausgemeinschaften, bei denen es fast gar nicht mehr um Abstammung geht. Das funktioniert in den Augen der Arbonier aber nur deshalb, weil die Götter solche Gemeinschaften besonders gut beschützen.
  • Sippenoberhäupter beäugen es zwar misstrauisch, dass solche Gemeinschaften sich ihre Mitglieder nach Omen und Eignung aussuchen, aber sie respektieren das, weil sie sich in diesen Gemeinschaften durch Verwandte Einfluss sichern können (und dürfen).
  • Trotz der scheinbaren Gleichheit der Angehörigen von Ordensgemeinschaften haben dort trotzdem fast immer edel geborene Geistliche das Sagen. Die Wahlen der geistlichen Führer werden vom Adel stark beeinflusst.
  • Geistliche und Kundige nennen gerne mal die Namen ihrer Lehrer zusammen mit dem Eigenen, als ob es die Namen ihrer Mütter wären ("Nury, Tochter der Rhackson" – Rhackson ist aber die Lehrerin, nicht die Mutter).
  • "Informelle" Patronageverhältnisse sind überall im politischen Geschäft an der Tagesordnung.
  • Diese Verhältnisse haben zwar kaum rechtlich festgelegte Regeln, sind aber weder heimlich, noch unverbindlich. Nichts in der arbonischen Politik bleibt anonym, man muss also seine Netzwerke öffentlich zeigen, um was von ihnen zu haben. Damit kommt es immer zu einer Bewertung der "Treue" durch die öffentliche Meinung.
  • Es gilt immer Derjenige als Gönner, der sich öffentlich wie ein Gönner verhält. Deswegen ist es auch in Ordnung, ungefragte Gönner öffentlich zu brüskieren. Sonst würde man nämlich implizit einem Patronageverhältnis zustimmen und könnte später als "untreu" dastehen.
  • Lobbyismus ist ehrenhaft und geschieht öffentlich. Fürsprecher, Schlichter und Vermittler übernehmen mit ihrer Tätigkeit nämlich eine Mitverantwortung für das Geschäft, für das sie Lobbying betreiben.

Machtzentren in Emendons Reich

  • Seit vierzig Jahren wird das Netz der politischen Verbindungen im arbonischen Staat immer dichter. Die meisten Konflikte können so vermieden werden, fast alle Übrigen werden schnell beigelegt.
  • Kloster des Riason und Hochtempel des Riamodan beherbergen zwar die am besten vernetzten Gruppen, sind aber durch den Einfluss des Adels und des Herrschers politisch neutralisiert. Politische Parteibildung findet nicht dort, sondern an den Höfen der lokalen Oligarchen statt.
  • Ostprovinz: Individuelle Vasallenbeziehungen, soldbasierte Dienstverhältnisse, keine Herrschaftstradition. Neben den Baronen keine nenneswerten Machtfaktoren, beide Baronien teilen sich eine gemeinsame Haustruppe. Baron von Drachenport hat als Seneschall Vorrang vor Baron und Baronin von Tinar, diese sind aber in Arbon besser vernetzt. Gesamte Provinz aufgrund geografischer Isolation in politischer Außenseiterlage. Hier mehr dazu
  • Grafschaft Altberg: Marschall von Altberg wird von altbergischen Edlen gewählt und durch Ernennung bestätigt. Übt Grundherrenrechte und gräfliche Gerichtsbarkeit nur stellvertretend für den Hochfürsten aus, ist aber in Altberg sehr gut vernetzt. Hier mehr dazu
  • Baronie Montrowia: Ethnische Vermischung von Montrowen und Arboniern. Daher gut vernetzte Barone mit sehr gutem Ruf, aber keine Herrschaftstradition. Häufig abwesend, aber zuverlässige Verwalter. Hier mehr dazu
  • Baronie Harog: Baron hat zwergische Königswürde und uralte Herrschaftstradition, aber keine familiären Verbindungen zum Rest des Adels und daher ethnisch bedingte Außenseiterposition. Hat sehr treue arbonische Vasallen und sein Volk genießt religiös bedingten Respekt. Musste trotz langem Aufstand wieder ins politische Gefüge integriert werden. Hier mehr dazu
  • Baronie Garesch: Sehr alte Herrschaftstradition, sehr gut vernetzte Baronssippe, erprobte, mit Ehebündnissen abgesicherte Vasallenverbindungen, nach innen verhärtete Machtbeziehungen. Hier mehr dazu
  • Baronie Arden: Nachfolgekrise der letzten Barone wirft bis heute Fragen auf. Heute ist ein Barbar dort Baron, der vermutlich eine anh Arden als Konkubine hat und einvernehmlich mit den Vasallen seines Vorgängers herrscht. Hier mehr dazu
  • Baronien Rhack, Erlenfels und Argaine: Wegen Nachfolgekrisen gibt es für Rhack und Argaine bewährte, provisorische Lösungen – gräfliche Vögte üben Grundherrenrechte für den Grafen aus. Emendon ist also Patron aller edlen Sippen dort und in Erlenfels. Argaine und Rhack haben zwar königliche Ahnen und lange Herrschaftstradition, hatten aber viel Pech: Die anh Rhack sind in mehrere Sippen zerfallen und die anh Argaine haben seit 14 Jahren kein Sippenoberhaupt. Für den Hochfürsten ist provisorische Lösung sehr bequem, er muss und will daran nichts ändern. Adel in allen drei Baronien sehr gut sozial vernetzt (Nachkommen von Reiternomaden und Brüder im Danasonkloster). Die Erlenfelser gelten traditionell als ehrenwerte Schlichter und Emendon gilt als Garant von Recht und Sitte (trotz Eheproblemen). Die fehlenden königlichen Ahnen machte er durch Abstammung vom Heiligen Karoman wett. Weil er als so rechtschaffend gelten muss, ist er auch ein lokaler Oligarch mit Beißhemmung, der weniger einschüchtert und dafür mehr Machtbeteiligung zulässt. Hier mehr dazu
  • Der Hochfürst durchreist sein Reich, um möglichst überall persönlich Präsenz zu zeigen. Er ist für keinen Vasallen ein Fremder.
  • Er hat fünfzehn verschiedene Haushalte, zwischen denen er hin und her wechselt, wenn er nicht gerade bei Vasallen zu Gast ist. Wo er "Hof hält" ist auch der hochfürstliche Hof.
  • Die Verwaltung seiner Haushalte kann er nicht mehr selber stemmen. Kastellane, Konkubinen, gräfliche Vögte, Äbte, Tempelvorsteher und die Mutter des Herrschers erledigen das. Sie unterstehen den fünf großen Hofämtern: Statthalter, Seneschall, Marschall, Mundschenk und Kammerherrin. Und alle haben sie ihre eigenen Boten, Schreiber, Vögte und Kanzler.
  • Die offiziell wichtigste Funktion des Hofes ist das schlichten, richten und sonstige Rechtsakte vollziehen durch den Herrscher. Hier wird er als Vertreter sakraler Mächte inszeniert. Daneben ist der Hof wichtig zur politischen Beratung und für Lobbying. Hier tritt der Hochfürst mehr als liebender Vater auf.
  • Das mit der Beratung läuft so: Wenn der Herrscher was besonderes vor hat, muss er vorher Priester konsultieren, Omen befragen und die Meinung von Vasallen erfragen, nämlich von denen, die es unmittelbar betrifft, denen, die Ahnung von der Sache haben und denen, die als Meinungsführer gelten.
  • Als Meinungsführer gelten "die Großen", die in der politischen Symbolsprache besonders berücksichtigt werden. Die Großen sind: Die lokalen Oligarchen, die fünf wichtigsten Hofämter und die arbonischen Richter des Tribunals. Weil die oft nicht alle beisammen sind, ist Vertretung normal.

Konsensbildung, Entscheidungsfindung und Konfliktführung

  • Noch in Arbeit.